Beim Abendessen verkündete Wowa mit einem selbstzufriedenen Grinsen: „Marina, dein Urlaub fällt aus.“ Er genoss sichtlich den Moment. „Ich habe eine Reise für meine Mutter organisiert. Sie hat ihr ganzes Leben von einem Meerurlaub geträumt. Jetzt wird sie an deiner Stelle fahren und sich endlich erholen. Sie hat es wirklich verdient.“
Marina hob langsam den Blick von ihrem Teller und sah ihren Mann lange und durchdringend an. Wortlos. Nur ein sanftes, fast überraschend ruhiges Lächeln spielte um ihre Lippen – weder zornig noch spöttisch.
„Dieses Lächeln irritierte Wowa mehr als ein Streit oder Geschrei. Er erwartete einen Aufruhr – doch stattdessen herrschte Stille und eine seltsame Gelassenheit.“
Unsicher fragte er: „Also, bist du wirklich nicht böse? Wirklich nicht?“
„Doch, ich bin nicht dagegen, mein Lieber“, antwortete Marina liebevoll, während sie weiter aß, als sei nichts geschehen. „Wenn Mama vom Meer träumt, soll sie diesen Traum erfüllen können. Wie könnte es anders sein?“
Wowa war verblüfft über ihren verständnisvollen Tonfall. Ohne Streit oder Drama – für ihn eine überraschende Reaktion. „Wow, Marina ist doch vernünftig“, dachte er erleichtert.
Schon drei Tage später reiste Vera Alexandrowna ab. Mit einem neuen Badeanzug, einer prall gefüllten Tasche und einem glücklichen, strahlenden Gesicht. Sie schwärmte unaufhörlich:
- „Sieh nur, wie mir dieser Hut steht!“
- „Den habe ich von der Nachbarin Tamara bekommen und gebe ihn nicht zurück – soll sie ruhig neidisch sein.“
- „Danke, Wowa, du bist ein richtiger Mann.“
„Und du, Marina, langweile dich nicht zu sehr“, fügte sie lachend hinzu. „Sonst plagt dich noch das schlechte Gewissen, dass ich allein im Urlaub bin, während du zwischen diesen stickigen Wänden festsitzt.“
Ihr Humor war eigenwillig, doch Marina nickte nur und lächelte.
Am Abend saß Wowa entspannt vor dem Fernseher und trank Bier, stolz auf sich. Er hatte „seiner“ Mutter eine Freude gemacht und einen häuslichen Streit verhindert. „So sieht eine geregelte, ruhige Familienwelt aus“, dachte er zufrieden. „Alles unter Kontrolle.“
Doch dann änderte sich alles.
Am nächsten Abend kehrte Marina nicht zurück. Das Handy war abgeschaltet. Erst gegen Mitternacht begann Wowa sich Sorgen zu machen, als er bemerkte, dass ihre Zahnbürste aus dem Bad verschwunden war. Beim Nachschauen im Schrank fehlte die Hälfte ihrer Kleidung. Vom Schminktisch waren ihre Parfums, Cremes und sogar der neue Badeanzug weg.
Es schien, als hätte Marina nie existiert.
Am folgenden Tag erhielt Wowa eine Nachricht: „Leb wohl, Wowa. Wenn du mir keinen Urlaub am Meer bieten kannst, dann besorge ich ihn mir selbst. Also trink nicht zu viel – nüchtern bist du auch keine Zier.“
Dazu kam ein Foto: Marina vor türkisblauem Wasser, mit einem breitkrempigen Hut und verführerischem Dekolleté in einem kurzen Kleid, mit einem Cocktail in der Hand. Neben ihr stand ein großer, bärtiger Mann in weißem Hemd. Beide strahlten vor Glück und Liebe.
Wowa starrte fassungslos auf das Bild. Wie sollte er das verstehen? War sie mit einem anderen Mann durchgebrannt? Was war mit ihrem Zuhause, der Ehe und dem offiziellen Bund?
Er verbrachte die nächsten drei Tage betrunken in der Wohnung. Zunächst Bier, dann Wodka und schließlich eine unbekannte dunkle Flüssigkeit aus einer Plastikflasche — er konnte sich kaum erinnern, was er gekauft hatte. Der Fernseher blieb stumm, nur das klägliche Miauen seiner hungrigen Katze durchbrach die Stille. Das Tier überlebte von den Resten, die es vom Tisch stahl, während ihr Besitzer in Trunkenheit versunken war.
Marina war wie vom Erdboden verschluckt.
Am siebten Tag kehrte Vera Alexandrowna zurück — gebräunt, frisch und mit einer Kamel-Magnetfigur in der Hand. Sie verkündete fröhlich:
„Mein Sohn, ich bin wieder zu Hause! Du kannst dir nicht vorstellen, wie schön es dort war! Das Meer war kristallklar, das Essen wie im Restaurant. Zugegeben, ich habe zu viel Trauben gegessen und einen Tag im Zimmer verbracht — aber das Zimmer war traumhaft mit Blick auf den Pool.“
Fragend fügte sie hinzu: „Übrigens, wo ist Marina?“
Wowa saß im zerschlissenen T-Shirt und Unterhose, unrasiert und geschwollen, neben einer leeren Flasche und einer kalten Portion Nudeln:
„Marina… beim Meer“, antwortete er heiser. „Mit einem Liebhaber weggefahren. Zwei Tage nach deiner Abreise verschwand sie spurlos. Sie schrieb, ich hätte ihr keinen Urlaub ermöglichen können. Und dann das Bild mit diesem bärtigen Mann und Cocktails.“
Vera Alexandrowna erstarrte, starrte eine Minute lang schweigend und schrie dann:
„Was zum Teufel ist das?! Was für ein Unsinn! Und was für ein Schwächling bist du, dass du deine Frau hast fliehen lassen? Bist du überhaupt ein Mann? Und wer ist dieser Bärtige? Wo warst du, als sie ihre Sachen packte?“
„Ich habe getrunken“, gestand er.
„Natürlich! Was für eine Frage! Die ganze Zeit hast du getrunken, während sie mit ihrem Liebhaber in wärmere Gefilde floh. Sie kennt keine Skrupel. Und du sitzt da wie ein totes Huhn. Pfui!“
„Wozu soll ich sie suchen, Mama?“, entgegnete Wowa schwach. „Sie schrieb klar: ,Leb wohl‘. Es gibt keine Chancen. Sie hat jetzt alles – Geld, Reisepass und vielleicht auch Glück.“
„Du bist ein Narr, mein Sohn… Und ich eine alte Narrin“, murmelte Vera Alexandrowna und setzte sich auf den Hocker. „Ich hab alles ruiniert. Wir hätten dir und Marina die Reise schenken sollen, nicht mir.“
Ein Monat verging. Marina kehrte nicht zurück.
Über soziale Netzwerke erfuhr Vera Alexandrowna, dass Marina nicht Türkei war, sondern auf Zypern, dann in Rom, danach in Paris war. Auf jedem Foto lächelte sie glücklich vor der Kulisse des Eiffelturms in einem lachsfarbenen Kleid. Der Bartträger hieß Andrej – geschieden, Geschäftsmann und in Europa ansässig.
Unter einem Bild schrieb Marina: „Wenn eine Frau keine Wunder mehr vom Ehemann erwartet, findet sie ihr eigenes Wunder.“
Bald darauf kamen die Scheidungspapiere. Wowa unterschrieb sie fast automatisch, ohne zu lesen, und schickte sie zurück.
Vera Alexandrowna, nun ergraut durch die Ereignisse, saß in der Küche und flüsterte:
„Ich wollte nur, dass es meinem Sohn gut geht… Doch jetzt ist er allein. Das Meer hat er bekommen, doch mit Einsamkeit und Scham bezahlt.“
Zwei Wochen später klopfte es an der Tür.
Wowa öffnete zögernd. Draußen stand Marina – gepflegt, attraktiv, mit leichter Mittelmeerbräune und modischem Oberteil. Ungläubig starrte er sie an.
„Hallo, Wowa“, sagte sie und betrat die Wohnung so, als sei sie nie gegangen. „Ich muss einige Sachen holen – alte Fotos, Dokumente. Ist das in Ordnung?“
Er nickte stumm. Nach einem Moment fragte er:
„Bist du glücklich mit Andrej?“
„Ja, sehr“, erwiderte sie. „Am wichtigsten ist, dass er mich respektiert. Du hast mich nie respektiert.“
„Liegt das daran, dass ich damals die Reise für meine Mutter und nicht für dich gekauft habe?“
„Nein, Wowa. Du hast immer deine Mutter vor mich gestellt. Immer. Mit dem Auto, dem Urlaub und selbst wenn ich um einen Abend zu zweit bat, hast du sie immer zum Essen eingeladen.“
Er wollte widersprechen, doch konnte nicht – denn es stimmte.
„Weißt du, warum ich damals keinen Streit verursacht habe, als du meinen Urlaub abgesagt hast?“, fragte sie plötzlich mit einem listigen Lächeln.
Wowa senkte den Blick. Er ahnte, was sie sagen würde.
„Weil ich begriffen habe: Wenn du dich nicht zwischen deiner Frau und deiner Mutter entscheiden kannst, dann gehe ich lieber selbst. Ohne Geschrei, ohne Tränen. Würdevoll.“
Sie nahm das alte Fotoalbum, sah ein letztes Mal hinein und flüsterte:
„Leb wohl, Wowa.“
Und dann verließ sie die Wohnung.
Wowa blieb schweigend im Flur zurück.
Seine Mutter wartete in der Küche, hoffte noch auf eine Versöhnung.
„Sohn, ich habe kein Gespräch belauscht… Wie läuft es?“, fragte sie mit zitternder Stimme.
„Nichts Besonderes. Wir haben uns verabschiedet.“
„Mein Gott… Ich hätte besser nie diese verdammte Reise gebucht.“
Sechs Monate vergingen. Wowa wurde ruhiger, sprach weniger und hörte auf zu trinken. Er erkannte plötzlich, dass Alkohol niemanden ersetzen kann, den man verloren hat. Sein Leben als Junggeselle mit seiner Mutter begann: tagsüber Arbeit, abends blickte er am Fenster dem Sonnenuntergang nach.
In einem fernen Land begann Marina ein neues Leben. Mit Andrej reiste sie zu Bergen und an das Meer. Sie probierten exotische Küchen, lernten Tango tanzen und planten, einen Hund zu adoptieren.
„Warum bedauerst du nicht, wie alles lief?“, fragte Andrej einmal.
„Nein, überhaupt nicht“, antwortete Marina. „Zum ersten Mal fühlte ich mich geliebt – nicht aus Pflicht oder Kompromiss, sondern echte Liebe.“
Hand in Hand spazierten sie an der Küste entlang, das Meer rauschte, umarmte sanft das Ufer. Es war warm und wunderbar angenehm – genau wie an jenem Tag, als die unheilvolle Reisebuchung sie endlich das lang gehegte Angebot eines heimlich verliebten Mannes annehmen ließ.
Dieser Moment kam ganz von selbst.
Erkenntnis: Manchmal können scheinbar kleine Entscheidungen tiefgreifende Konsequenzen für das persönliche Leben und Beziehungen haben. Respekt und Aufmerksamkeit in der Partnerschaft sind unverzichtbar, um solche Brüche zu verhindern.
Dieses Geschehen stellt in beeindruckender Weise dar, wie familiäre Prioritäten Herzen verändern und neue Wege eröffnen können.