Mein allerletzter Tag als Grundschullehrerin an einer öffentlichen Schule begann auf eine ruhige und nüchterne Weise – ohne Spott oder Wut, stattdessen mit einer kühlen Stimme, die so gleichgültig war, als würde sie über das Wetter sprechen.
„Du kannst keine TikToks machen. Meine Mama sagt, dass Leute in deinem Alter längst in Rente sein sollten.“
Ich schenkte ihr ein Lächeln, denn ich hatte gelernt, solche Worte nicht persönlich zu nehmen. Doch innerlich spürte ich, wie ein kleines Stück von mir zerbrach.
Mein Name ist Frau Hoffmann. Über sechsunddreißig Jahre hinweg lehrte ich Erstklässler in einem kleinen Dorf unweit von Stuttgart, Baden-Württemberg. Heute war der Tag gekommen, an dem ich mein Klassenzimmer zum letzten Mal ausräumte.
Als ich Ende der Achtzigerjahre mit dem Unterrichten begann, war Lehren eine Berufung – fast wie ein heiliger Bund. Die Menschen schenkten uns Vertrauen und hatten sogar großen Respekt vor uns. Obwohl unser Einkommen eher gering war, war der Respekt, den wir genossen, unbezahlbar.
- Eltern brachten Brownies zum Elternabend mit.
- Die Kinder schenkten mir handgemalte Geburtstagskarten, die voller Rechtschreibfehler und schiefer Herzen waren.
- Wenn ein Kind zum ersten Mal seinen Satz laut vorlas, erfüllte mich eine tiefgehende Freude, die kein Geld der Welt ersetzen konnte.
Doch mit den Jahren veränderte sich vieles – schleppend und fast unmerklich. Schritt für Schritt brach die Welt auseinander, die ich einst kannte und liebte. Als ich eines Tages mein Klassenzimmer betrat, erkannte ich die Arbeit, die ich einst liebte, kaum noch wieder.
Es lag nicht nur an den Tablets oder den Smartboards – obwohl diese Neuerungen sicherlich dazugehören. Vielmehr war es die Erschöpfung, die fehlende Achtung und eine tiefe Einsamkeit, die mich immer mehr belasteten.
Früher verbrachte ich noch Nachmittage damit, bunte Papieräpfel für die Wände auszuschneiden. Heute jedoch dokumentiere ich jeden Zwischenfall in einer Verhaltens-App – falls Eltern sich beschweren wollen.
Man hat mich sogar schon vor der gesamten Klasse angeschrien. Nicht von Schülern, sondern von Eltern. Einer behauptete offen: „Sie können offensichtlich nicht mit Kindern umgehen. Ich habe ein Video von Ihnen auf dem Handy meines Sohnes gesehen.“
In diesem Video war ich dabei, ein Kind mit emotionalem Zusammenbruch zu beruhigen. Niemand erkundigte sich danach, wie ich mich fühlte. Niemand interessierte es, dass ich mich mit Kaugummi, Kaffee und purem Willen durch den Tag kämpfte.
Die Kinder selbst haben sich ebenfalls verändert – doch das ist nicht ihre Schuld. Sie wachsen in einer Welt auf, die zu schnell, zu laut und zunehmend entfremdet ist. Sie kommen müde und überreizt durch den ewigen Konsum von Bildschirmen in die Schule, oft ohne die nötigen emotionalen Fähigkeiten.
Einige Schüler sind wütend, andere haben Angst. Viele wissen nicht mehr, wie man richtig einen Stift hält, geduldig wartet oder „bitte“ sagt. Und doch wird von uns erwartet, dass wir all dies innerhalb eines Schulvormittags regeln – sechs Stunden unterrichten, keine Assistenz erhalten, 28 Schüler gleichzeitig betreuen und das mit einem Budget auskommen, das nicht einmal für Geburtstagskuchen reicht.
Ich erinnere mich noch genau an die Zeit, als mein Klassenzimmer ein sicherer Zufluchtsort war. Eine gemütliche Leseecke mit Kissen, gemeinsames Singen jeden Morgen und das Lernen von Freundlichkeit bevor es ans Einmaleins ging.
Heute hingegen steht alles unter dem Druck von „Lernzielen“, „Messdaten“ und „quantifizierbaren Resultaten“. Mein Wert wird daran gemessen, wie gut ein sechsjähriges Kind im März einen standardisierten Test absolviert.
Ein Schulleiter äußerte einmal: „Sie sind zu fürsorglich. Dieser Schulbezirk verlangt Ergebnisse.“ Als wäre ein liebevolles Verhältnis zu Kindern ein Nachteil.
Dennoch blieb ich standhaft, denn es gab immer wieder kleine, wertvolle Momente, die heilig waren. Ein Kind flüsterte mir zu: „Sie sind wie meine Oma. Ich möchte bei Ihnen wohnen.“ Ein anderes hinterließ einen Zettel auf meinem Schreibtisch mit den Worten: „Hier fühle ich mich sicher.“
Oder der schüchterne Junge, der mich schließlich ansah und sagte: „Ich habe es ganz allein gelesen.“ Diese Augenblicke klammerte ich an, als wären sie lebensrettende Schwimmringe. Sie erinnerten mich daran, dass meine Arbeit, so sehr sich die Welt auch verändert hatte, immer noch bedeutungsvoll war.
Doch das vergangene Jahr zermürbte mich. Die Gewalt stieg an. Ein Schüler schleuderte einen Stuhl durch den Raum, ein anderer drohte damit, „etwas von zuhause mitzubringen“, als ich ihn auf seinen Platz verwies.
Das Klassenzimmertelefon wurde zur Krisen-Hotline. Die Schulsozialarbeiterin kündigte im Oktober, und bis November gab es keine Vertretungen mehr. Die Erschöpfung lag in der Luft wie ein dicker Nebel voller Hoffnungslosigkeit.
Und ich selbst? Ich begann mich wertlos und austauschbar zu fühlen – wie ein veraltetes Werkzeug in einer digitalen Welt, welche die menschliche Nähe längst vergessen hat.
Heute packte ich also meine Sachen zusammen. Ich riss vergilbte Bilder von den Wänden, manche Jahrzehnte alt, und stieß auf eine Kiste voller Dankeskarten aus dem Jahr 1995. Eine Karte trug die Botschaft: „Danke, dass Sie mich mochten, auch wenn ich frech war.“
Beim Lesen steigen mir Tränen in die Augen, denn damals bedeutete das Lehrerinnendasein noch etwas Großes. Heute hingegen fühlt es sich an wie ein Beruf, für den man sich rechtfertigen muss.
Es gab keine Abschiedsfeier, keine Rede – lediglich ein hastiger Händedruck vom neuen Schulleiter, der mich lediglich „Frau“ nannte und dabei sein Handy betrachtete. Ich ließ meine Aufkleber, meinen Schaukelstuhl und meine Geduld zurück.
Doch mitnahm ich die Erinnerung an jeden einzelnen Schüler, der mich je mit Ehrfurcht, Vertrauen oder Erleichterung angesehen hatte. Das bleibt mein Stolz, den mir niemand nehmen kann.
Was die Zukunft bringt, weiß ich nicht. Vielleicht werde ich ehrenamtlich in einer Bücherei mithelfen. Vielleicht lerne ich Brot zu backen. Oder ich sitze einfach auf der Veranda, trinke Tee und erinnere mich an eine Zeit, die sanfter war.
„Ich vermisse die Zeit, als Lehrerinnen Verbündete waren, nicht Zielscheiben – als Eltern und Schulen gemeinsam arbeiteten und Erziehung mehr bedeutete als bloße Noten.“
Wenn du selbst Lehrer warst, weißt du genau, was ich meine. Wir arbeiteten nicht wegen der Ferien. Wir standen jeden Tag für das Kind ein, das endlich seine Schleifen band, für das, das nach langen stillen Wochen das Lächeln wiederfand, für all jene, die uns auf eine Weise brauchten, die kein Test bewerten kann.
Aus Liebe, Hoffnung und dem Glauben an eine bessere Zukunft taten wir es. Daher: Wenn du heute oder irgendwann einer Lehrkraft begegnest, danke ihr – nicht mit Apfel oder Tasse, sondern mit Respekt, mit deinem Blick und deiner Stimme.
Wichtige Erkenntnis: Trotz all der Herausforderungen sind Lehrkräfte es, die in einer immer schneller werdenden Welt bestehen bleiben, die in einem zusammenbrechenden System standhalten und die in einer vergesslichen Gesellschaft jedes einzelne Kind in Erinnerung bewahren.
Die Lehrerinnen von einst wissen: Sie wurden nicht vergessen. Und die von heute erkennen: Sie sind nicht allein.
Mit geschlossenen Augen sieht sie die sanften Schatten der Kinder, die einst ihre Klasse füllten, und erfährt im letzten Tageslicht, dass ihr Lebenswerk niemals vergeblich war.