Ein unvorhergesehener Anruf von Tonjas Ex-Mann überraschte sie völlig. Nach der Scheidung hatte sie jeglichen Kontakt mit Vasili gemieden, da die früheren Kränkungen tief saßen. Besonders enttäuschend war, dass er zunächst gewissenhaft Unterhalt zahlte, später jedoch seine Verpflichtungen ignorierte, nachdem er seine Arbeitsstelle kündigte und die finanzielle Unterstützung einstellte.
Der Anruf am späten Abend kam völlig unerwartet. Zuerst wollte Tonja auflegen, doch ihre Neugier siegte – wer weiß, was ihn nun bewegte?
„Hallo?“ klang ihre Stimme besorgt.
„Hallo Tonja. Bitte plane für Samstag nichts. Du sollst zu Valentinas Jubiläum kommen. Bring die Kinder mit und komm selbst auch“, bat Vasili mit einer heiseren Stimme, die seine Innenspannung kaum verbergen konnte.
Vor zwei Jahren hatte er die Familie verlassen, um mit einer anderen Frau zusammen zu sein, nachdem er Tonja und die zwei Kinder zurückgelassen hatte. Jetzt wandte er sich so unverhohlen an sie – nicht bloß eine Bitte, sondern fast eine eindringliche Aufforderung. „Frag mich, was du willst, aber komm einfach“, hatte er gesagt.
Tonja schwieg und ließ die Erinnerungen an frühere Fehler und Wunden aufsteigen.
Das Leben vor der Scheidung: Konflikte und Alltagskämpfe
An jenem Abend war Tonja müde von der Arbeit, kehrte aber wie gewohnt mit einem Lächeln heim. Sie glaubte fest daran, dass Sorgen und Erschöpfung nicht die Atmosphäre zuhause belasten sollten – ihre Kinder und ihr Mann warteten auf sie, doch die Erschöpfung bewahrte sie für sich selbst. Jahrelang hatte sie die Rolle der fürsorglichen Ehefrau und Mutter ohne Klagen ausgefüllt.
„Sieh her“, begann Vasili beim Betreten, „hier sind die Quittungen: Ich habe den Wasserhahn erneuert und den Klempner bezahlt.“
Tonja zuckte mit den Schultern und bot: „Nimm dir einen Kuchen vom Regal, ich habe am Samstag gebacken und es ist noch etwas da. Wenn ihr wollt, backe ich am Wochenende mehr.“
„Warum ständig die Kuchen? Ich schleppe hier alles und du sitzt nur da und grinste dich dumm“, ärgerte sich Vasili.
„Soll ich Trübsal blasen? Du bist doch der Mann, aber die Rohre selbst nicht in Ordnung bringen kannst“, erwiderte Tonja ruhig.
„Ich bin nicht zum Basteln gemacht. Du solltest einen Nebenjob suchen, um die Familie zu unterstützen.“
„Ich unterstütze, Vasili. Nur eben nicht mit Geld.“
„Womit denn?“
„Mit Liebe und Fürsorge.“
Er winkte missmutig ab: „Auf Brot kannst du Fürsorge nicht streichen!“
„Aber auf Brot kannst du Butter schmieren, die ich selbst aus dem Sahne von Mama gemacht habe. Den Brot habe ich auch nach Oma’s Rezept gebacken. Du willst doch nicht einfach nur normales Brot, es muss etwas Besonderes sein!“
„Besser du bringst Geld als Butter! Damit würde ich Rebhühner in Ananas essen!“ murmelte er ausgelassen. Tonja holte daraufhin ihren Geldbeutel heraus, zählte die Hälfte der Ausgaben für den Wasserhahn ab und legte es vor ihn hin. Damals bekam sie ihr Gehalt bar ausgezahlt.
„Zum Wohl für die Rebhühner mit Ananas“, sagte sie trocken und verließ den Raum.
Es schmerzte sie, dass ihr Mann sie im Laufe der Jahre nie als liebevolle Mutter und Haushälterin wahrgenommen hatte. Stattdessen unterstellte Vasili ihr zunehmend Faulheit und bezeichnete sie als „Schmarotzerin“, die sich auf seiner Kosten ausruhte und die Kinder als Last empfand.
Streitigkeiten und Vorwürfe in der Beziehung
„Weißt du, Vasili, ich habe dir die Kinder nicht umgehängt, wie du sagst. Du wolltest sie selbst“, erklärte Tonja.
„Du hättest eine bessere Arbeit suchen oder zumindest nebenbei arbeiten können. Stattdessen spielst du die Heilige“, spöttelte er.
„Ich bin ehrlich und liebe meinen Beruf. Den Armen etwas wegnehmen, könnte ich nicht über mein Herz bringen“, antwortete sie.
„Du bist eine Waschlappen, Tonja. Du sitzt bequem im Gesundheitszentrum und schweigst, aber ich will nicht länger schweigen. Ich brauche eine Muse – eine Frau, die spannend ist, ehrgeizig und Geld verdienen will.“
„Was möchtest du damit sagen?“
„Ich gehe weg.“
„Wohin?“ Tonja wurde blass.
„In eine glückliche Zukunft, zu Valentina. Sie hat ein eigenes Geschäft und Geld. Außerdem meinen Urlaub auf den Malediven und ein teures Auto. Bei dir gibt es nur das Ferienhaus und ein altes Auto, das bald den Geist aufgibt.“
„Verlässt du die Familie? Und die Kinder?“
„Kinder sind Kinder. Ich zahle Unterhalt, aber das war‘s. Mach dir deine Gedanken.“
Vasilis neue Partnerschaft und Tonjas verändertes Leben
Vasili zog tatsächlich aus und bezahlte kaum Unterhalt. Er zog zu Valentina, der Schwester seines Bekannten, die ihm sofort gefiel. Etwa vierzig Jahre alt, zielstrebig und eigenständig, machte sie ihm klar, dass seine Gehaltszahlungen und Unterhaltsleistungen lächerlich seien. Sie forderte hohe Standards, sah in ihm nur einen Lärmverursacher und keine echte Hilfe für die Familie.
Der Konflikt führte dazu, dass sie Vasili zum Kündigen bewegte, woraufhin er die familiären Pflichten übernahm. Merkwürdigerweise lernte er schnell, diese Aufgaben zu meistern und kümmerte sich kaum noch um seine leiblichen Kinder. Stattdessen betreute er Valentinas Sohn, half bei den Hausaufgaben und reagierte streng auf jedes Fehlverhalten. Alles, was er bei Tonja verspottet hatte, tat er nun selbst.
Unterdessen nahm Tonja ihr Leben selbst in die Hand. Eine Kollegin bot ihr eine Nebenbeschäftigung als Kosmetikerin am Abend an. Sie absolvierte eine Umschulung von der Krankenschwester zur Kosmetikerin, meisterte den neuen Beruf rasch und gewann sogar Stammkunden, die ihr großzügige Trinkgelder gaben und regelmäßig Termine buchten.
Die entscheidende Wende: Tonja wandelte sich von einer Krankenschwester zu einer erfolgreichen Kosmetikerin und verdiente weit mehr als ihr Ex-Mann jemals erträumt hatte.
Das unerwartete Wiedersehen und die Feier
Als Vasili erneut anrief, war Tonja erstaunt:
„Valentina hat Geburtstag. Sie will, dass du mit den Kindern kommst – wichtig fürs Ansehen. Es wird kein Geschenk erwartet, nur eure Anwesenheit.“
„Gut, wir kommen“, stimmte Tonja zu. Sie war neugierig auf die Welt ihres Ex-Mannes und wollte herausfinden, was für eine Frau Valentina war, die er so lobte.
Auf der Feier erschien Tonja in einem eleganten Kleid und sah blendend aus. Valentina wirkte angespannt, als sie bemerkte, dass die Ex-Frau viel attraktiver war als das Geburtstagskind. Tonjas Kinder waren modern gekleidet und besaßen neueste Geräte. Valentina rügte Vasili währenddessen, weil er die Unterhaltszahlungen heimlich leistete, und warf ihm sogar vor, ihr Geld zu stehlen.
„Ich hörte, wie du über deinen Mann sprichst“, dachte Tonja. Vasili wirkte bemitleidenswert, bemühte sich, selbstbewusst und glücklich zu erscheinen, doch das Gegenteil war offensichtlich.
„Vasili verlor, indem er Valentina wählte – eine dominierende Frau, für die er nur ein willenloser Papagei war“, lautete Tonjas Gedanke.
Am Ende des Abends bedankte sich Vasili bei Tonja für ihr Kommen und versprach, sich zu revanchieren.
Tonja lächelte und entgegnete:
„Scheidet dich von Valentina.“
„Was?!“ rief er verblüfft. „Das ist eine zu große Bitte!“
„Nicht mir zuliebe, Vasili, sondern für dich. Du tust dir einen Gefallen, wenn du von ihr loskommst. Doch die Entscheidung liegt bei dir. Du wolltest schon immer die Rollen tauschen, jetzt bist du der Pflegling.“
„Ich bin glücklich! Entscheide nicht für mich!“ fauchte er.
„Dann lebe und freue dich. Wenn du Socken brauchst, im Küchenbereich läuft der Wasserhahn, du kannst kommen und ihn reparieren.“
In diesem Moment rief Valentina lautstark:
„Vasili, bring bitte meiner Mutter den Pelzmantel!“
Vasili zuckte zusammen, erschien wie ein eingeschüchterter Hund, zitterte und wagte es nicht zu widersprechen.
Tonjas neue Lebensphase und persönlicher Erfolg
Die jüngste Tochter zog ihre Mutter am Arm: „Mama, komm, wir müssen packen, am Montag fliegen wir nach Kuba!“
Mit einem Lächeln und Vorfreude auf den wohlverdienten Urlaub unter Palmen verließ Tonja die Feier – ein Urlaub, den sie sich selbst für ihre Familie erarbeitet hatte.
Obwohl sie Mitleid mit ihrem Ex-Mann empfand, war ihr bewusst, dass seine Entscheidungen das gegenwärtige Resultat beschieden hatten. Vasili hatte ihr damit den Weg zu einem neuen, selbstbewussten und erfolgreichen Leben gezeigt und sie von einer großen emotionalen Last befreit. Am Ende waren alle glücklich – sie selbst mit ihren Kindern, und womöglich alle außer ihm.
Abschließende Gedanken: Diese Geschichte erzählt eindrucksvoll, wie eine Frau nach dem Weggang ihres Mannes die Stärke fand, ihr Leben grundlegend zu verändern und dauerhaftes Wohlbefinden zu etablieren. Sie zeigt auch, wie schwierige Entscheidungen zu persönlichem Wachstum und neuem Glück führen können.