Wie aus dem Traumhaus am Meer ein kostenloses Ferienparadies für Schwiegerfamilie wurde – und wie die Besitzerin endlich „Schluss jetzt!“ sagte

Elena strich mit der Hand über die staubige Oberfläche des alten Kommodenschranks. Das Haus der Großmutter Klawdia wirkte, als hätte die Zeit hier stillgestanden. Die verblasste Tapete mit zartem Blumenmuster und die schweren, von weißen Tüchern bedeckten Möbel erinnerten an frühere Zeiten.

„Stell dir vor, Andrei, wie gemütlich es hier sein kann“, sagte Elena, öffnete ein Fenster und ließ die frische Meeresbrise herein. „Diese Wände tragen so viele Geschichten, Großmutter hat vieles selbst gemacht.“

Andrei nickte und musterte praxisorientiert die Decke auf mögliche Wasserschäden. „Das Dach muss unbedingt erneuert werden, siehst du die Flecken? Die Elektrik sollten wir komplett austauschen, die Leitungen sind alt. Aber der Grundstein ist solide, die Mauern stehen fest.“

„Stell dir vor, wie wir hier wohnen werden!“, träumte Elena bereits und stellte sich die Möbel im Kopf zurecht. „Die Küche werden wir vergrößern, im Wohnzimmer einen Kamin einbauen, auf der Veranda einen kleinen Tisch aufstellen, um abends Tee zu trinken und den Sonnenuntergang zu genießen. Und hier könnte man wunderbar Kinder aufziehen – die frische Meeresluft ist ein Geschenk.“

„Das wird eine finanzielle Herausforderung“, setzte sich Andrei auf das alte Sofa und ließ eine Wolke Staub aufwirbeln. „Aber Schritt für Schritt schaffen wir das. Das Wichtigste: endlich haben wir unser eigenes Zuhause.“

Plötzlich klingelte das Telefon schrill. Andrei schaute auf das Display und verzog das Gesicht. „Mama ruft an.“ Er nahm ab und stellte das Gespräch laut. „Andrjuscha, mein Junge! Wie läuft’s im neuen Haus?“, ertönte das laute und fordernde Organ von Walentina Grigorjewna, dass Elena zurückweichen ließ. „Ich hab nachgedacht. Die Meeresluft ist besonders in meinem Alter so gesund. Mein Blutdruck schwankt, der Arzt hat mir einen Ortswechsel empfohlen.“

Andrei tauschte einen ratlosen Blick mit Elena aus. „Mama, wir haben doch noch gar nicht alles eingerichtet…“

„Quatsch! Ihr packt das schon. Ich habe die Tickets schon gekauft, übermorgen komme ich für zwei bis drei Wochen, vielleicht auch einen Monat – mal sehen, wie es meiner Gesundheit geht.“

Elena war sprachlos vor Entsetzen. Andrei suchte verzweifelt nach einer Antwort. „Mama, vielleicht lieber später, das Haus ist noch nicht fertig…“

„Was redest du da? Ich bin keine verwöhnte Prinzessin, ich komme klar. Bis bald, ihr Lieben!“ – und das Gespräch war beendet.

„Sie ist komplett durchgedreht!“, rief Elena und warf einen wütenden Blick auf das chaotische Haus. „Staub überall, die Möbel verwittern, im Bad Schimmel.“

„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Andrei hilflos. „Mama hat die Tickets schon gekauft.“

„Warum hat sie uns nicht gefragt? Nicht Bescheid gesagt?“, schrie Elena und riss das Tuch von einem Sessel. „Na gut, uns bleiben zwei Tage. Wir schaffen es, das Wichtigste herzurichten.“

In den folgenden 48 Stunden verwandelte sich Elena in eine Putzmaschine. Sie schrubbte und wischte bis zur Erschöpfung. Andrei flickte den Wasserhahn, wechselte Glühbirnen und nagelte lose Bretter wieder an. Am Abend des zweiten Tages war das Haus zumindest bewohnbar.

Walentina Grigorjewna betrat mit drei Koffern und einem Missmut im Gesicht das Haus. „Was für ein Empfang!“, bemerkte sie mit kritischem Blick in der Diele. „Keine Blumen, kein gedeckter Tisch. Ich bin so lange gefahren, und hier gibt’s nicht mal Tee.“

„Willkommen, Walentina Grigorjewna“, sagte Elena und wischte sich die Hände am Schürzchen ab. „Bitte, macht es euch gemütlich.“

„Warum riecht es so muffig? Und der Staub auf den Regalen! Du bist doch die Gastgeberin, wie kann man das Haus so lassen?“

„Wir haben niemanden eingeladen“, meinte Elena ruhig. „Sie sind auf eigenen Wunsch hier, jetzt beschweren Sie sich.“

Walentina Grigorjewna schwang die Arme empört. „Wie kannst du es wagen! Andrei, hörst du, wie deine Frau mit mir spricht?“

„Mama, Elena hat recht. Wir sind gerade erst eingezogen…“

„Ihr seid nicht fertig! Wofür seid ihr zwei Tage hier gewesen?“, durchsuchte die Schwiegermutter die Räume weiter. „Schiefe Gardinen, alte Möbel, Spinnweben in den Ecken. Peinlich, Gäste hier her zu schicken!“

„Wenn es Ihnen nicht passt“, zeigte Elena auf die Tür, „dann bitte hinaus. Niemand hält Sie hier fest.“

Walentina Grigorjewna presste die Lippen zusammen. „Andrei, willst du wirklich zulassen, dass deine Frau mich so behandelt?“

Andrei stellte sich beschwichtigend zwischen die beiden. „Mama, Elena will dich nicht verletzen. Wir sind einfach gerade erst eingezogen…“

„Ich weiß genau, wer hier das Sagen hat“, zischte die Schwiegermutter kalt. „Aber wenn ich schon da bin, muss ich mich eben mit den Zuständen abfinden.“

Die folgende Woche glich für Elena einer dauernden Prüfung. Walentina Grigorjewna murrte unaufhörlich vor sich hin, kritisierte jeden kleinsten Fehler. Sei es der zu schwache Kaffee, das verspätete Frühstück oder ein kalter Luftzug im Zimmer. Elena versuchte, die Angriffe zu ignorieren und konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Dank ihrer Tätigkeit als Programmiererin von Zuhause konnte sie so viel wie möglich am Computer verbringen und dem Meckern entgehen.

Endlich reiste die Schwiegermutter ab. Das Haus schien aufzuatmen.

„Gott sei Dank“, seufzte Elena, ließ sich auf das Sofa fallen, „ich dachte, das hört nie auf.“

„Aber Mama wollte doch nur das Beste“, murmelte Andrei zögernd.

Die nächsten zwei Monate waren die glücklichsten seit Langem. Das Paar stürzte sich begeistert in die Renovierung. Wo möglich erledigten sie alles selbst, für Spezialarbeiten engagierten sie Handwerker. Elena legte einen Blumengarten an, pflanzte Rosen, Pfingstrosen und gar kleine Apfelbäume entlang des Zaunes.

„Sieh nur, wie schön alles wird!“, freute sich Elena über die aufblühenden Knospen. „Bald ist unser gesamter Hof ein Blütenmeer.“

Das Haus verwandelte sich täglich. Neue Fenster, frische Farbe an den Wänden, moderne Sanitäranlagen – alles bereitete Freude.

Eines Juli-Tages führte Elena ein Online-Meeting mit der Geschäftsleitung. Es ging um ein neues Projekt, Fristen und Anforderungen.

„Elena Wiktorowna, die Abgabe des ersten Moduls ist Ende August“, teilte der Chef klar mit. „Schaffen Sie das?“

„Selbstverständlich, Petrowitsch. Morgen schicke ich einen detaillierten Arbeitsplan.“

„Ausgezeichnet. Auf Wiederhören.“

Kaum war das Meeting beendet, hörte Elena fröhliches Rufen hinter dem Zaun: „Lenotschka, mach auf, wir sind da!“

Ihr Herz machte einen Sprung. Schnell zog sie eine leichte Jacke an, schlüpfte in Hausschuhe und raus in den Garten. Hinter dem Tor standen Swetlana, Andrejs Schwester, mit ihrem Mann Igor und drei Kindern. Der Kofferraum ihres Autos war voll bepackt.

„Sweta? Wo kommst du denn her?“, fragte Elena verblüfft, während sie das Tor öffnete.

„Wir sind zum Besuch gekommen!“, rief Swetlana fröhlich und drängte sich ins Grundstück. „Es ist Sommer, die Kinder brauchen Erholung – die Meeresluft ist so gesund!“

Die Kinder liefen sofort wild über den Hof und zertrampelten die Blumenbeete. Igor trug schweigend die Taschen herein.

„Aber Sweta, ihr hattet uns nicht gewarnt…“, begann Elena.

„Ach was, wir sind doch Familie!“, winkte Swetlana ab und betrachtete bewundernd das Haus. „Wow, mittlerweile sieht es hier ja aus wie ein Resort!“

Elena rief ihren Mann an. „Andrei, deine Schwester ist hier — mit der ganzen Familie. Sie wollen bleiben.“

„Na und?“, fragte Andrei erstaunt. „Lass sie doch ein Weilchen bleiben, das Haus ist ja groß.“

„Ein Weilchen? Wie lange denn genau?“

„Ach, so zwei Wochen vielleicht. Den Kindern tut das gut am Meer.“

Elena schluckte ihre Einwände hinunter. Aus einer Woche wurden zwei, aus zwei ein ganzer Monat. Swetlana und Igor benahmen sich wie die Hausbesitzer. Kühlschrank wurde geplündert, Sachen herumgeworfen, die Kinder zerbrachen zwei Vasen, mehrere Tassen und verlegten Ladegeräte. Elena kaufte Lebensmittel, kochte und räumte hinterher auf. Ihre geliebten Rosen waren beim Fußballspielen beschädigt worden.

Endlich fuhren die Gäste ab. Doch dann klingelte Andrejs Telefon. Walentina Grigorjewna schrie so laut, dass Elena alles verstand.

„Was für eine undankbare Schwiegertochter! Sie hatte Besuch von Verwandten und konnte sie nicht anständig empfangen! Die Tochter beschwert sich, dass du sie schlecht bewirtschaftet hast!“

„Mein Haus ist kein Hostel“, antwortete Elena gelassen, nahm Andrei das Hörgerät ab und sprach selbst.

Aber die Lektion wurde nicht gelernt. Zwei Wochen später tauchte Michail, Andrejs Bruder, mit seiner Familie auf. Sie verlangten drei Mahlzeiten am Tag, veranstalteten dauernd laute Treffen und besetzten das Wohnzimmer mit dem Fernseher. Elena sprang zwischen Arbeit und Gästeservice hin und her.

Nachdem Michail fuhr, kam wieder Walentina Grigorjewna für einen ganzen Monat. Ihre Beschwerden und Ratschläge zum Haushalt schüttete sie ohne Ende aus.

Kaum war die Schwiegermutter fort, erschien erneut Swetlana mit Familie – und wieder für einen Monat. Am Ende dieser Zeit standen weitere Autos auf dem Hof: Michail mit Frau und Kindern sowie Walentina Grigorjewna kamen ebenfalls an.

„Wir machen ein großes Familienfest!“, erklärte Swetlana fröhlich. „Lenka, du sorgst doch für genügend Essen, oder? Den Tisch deckst du?“

Elena umkreiste die gesammelte Truppe mit einem scharfen Blick. Acht Erwachsene und fünf Kinder standen um sie herum. Koffer lagen auf der Veranda.

„Ihr wohnt nun schon den dritten Monat in meinem Haus. Vielleicht reicht es langsam?“, sagte Elena leise.

„Was redest du da!“, empörte sich Walentina Grigorjewna. „Du bist verpflichtet, die Familie deines Mannes zu bewirten!“

„Verpflichtet?“, antwortete Elena nun mit fester Stimme. „Wer hat das entschieden?“

„WIR – die Familie!“, schrien die Verwandten einstimmig.

Innerhalb von Sekunden spürte Elena, wie etwas in ihr sprang – wie eine bis zum Äußersten gespannte Feder.

„Genug!“, schrie sie. „Alle raus aus meinem Haus! Sofort!“

„Du kannst uns nicht hinauswerfen!“, versuchte Michail zu protestieren.

„Doch, kann ich!“, antwortete Elena bestimmt und ging zum Tor. „Raus hier! Sofort!“

Überrascht von ihrer Entschlossenheit, bewegten sich die Verwandten widerwillig Richtung Ausgang. Andrei stand ratlos da und sah seine Frau an.

„Lena, was tust du da…“

„Du gehörst dazu!“, erwiderte Elena und schloss die Tür ab. „Morgen früh stehen deine Sachen vor dem Tor! Diese Menschen kommen nicht mehr in mein Haus!“

Draußen drangen empörte Rufe durch den Zaun, doch Elena hörte nicht mehr hin.

Ein Monat verging. Elena saß mit einer Tasse Kaffee auf der Veranda und betrachtete ihre frisch gepflegten Rosen. Das Telefon blieb still – sie hatte die Nummer geändert. Andrei kam mehrmals zum Tor, bat um Verzeihung, doch sie wusste: Einmal ist keinmal.

„Endlich Ruhe“, flüsterte sie und atmete tief die frische Meeresluft ein. Das Haus war wieder ihr eigenes Heim.

Fazit: Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, klare Grenzen auch innerhalb der Familie zu ziehen. Ein Zuhause soll ein Rückzugsort sein und kein Daueraufenthalt für alle Verwandten. Mit Entschlossenheit kann man selbst schwierige familiäre Herausforderungen meistern und den eigenen Frieden bewahren.