„Lena, lass uns bitte ohne Drama auskommen“, sagte Igor, als er die Schwelle betrat, und warf seine Jacke wie gewohnt auf den Sessel. Genau auf den, um den sie hundertmal gebeten hatte, ihn in Ruhe zu lassen.
„Ich hatte nicht vor, eines zu veranstalten“, antwortete Lena kalt und warf ihm nicht einmal einen Blick zu. „Was gibt es diesmal? Zieht wieder jemand zu uns ein? Oder vermieten wir jetzt das Schlafzimmer?“
Er seufzte, als wäre sie nicht seine Frau, sondern eine strenge Tante von der Wohnungsbehörde, und ging ohne zu schauen in die Küche. Lena stand am Spülbecken und wusch das Geschirr von dem Abendessen, das sie für zwei zubereitet hatte, aber alleine gegessen hatte.
„Mama kommt für eine Weile zu Besuch. Etwa zwei Wochen“, verkündete er, als wäre es nichts weiter als der Austausch von Batterien in der Fernbedienung.
Lena stellte das Wasser ab, setzte das Geschirr vorsichtig in den Trockenständer und drehte sich langsam ihm zu.
„Zwei Wochen? So wie beim letzten Mal? Als sie auf einmal für drei Monate blieb? Oder wie beim vorletzten Mal, als du ganz vergessen hast, dass du eine Frau hast?“
„Sie hat Renovierungsarbeiten. Staub, Schmutz… Handwerker. Du verstehst doch“, versuchte er sie zu beruhigen.
„Ich verstehe. Aber ich kann nicht nachvollziehen, warum ich das alles ertragen soll. Ich hatte mein Leben. Ich hatte eine Wohnung. Und jetzt habe ich einen Aufpasser im Bademantel.“
Igor zuckte mit den Schultern und goss sich eine Tasse Tee ein, als wäre alles bereits entschieden.
„Sie wird in dem Zimmer wohnen. Wir werden es ein bisschen umstellen, damit es für sie bequemer ist.“
Lena verspürte einen schmerzhaften Stich in der Brust. Das war ihr Zimmer. Ihr Schreibtisch, den sie auf dem alten Gazelle transportiert hatte, von Hand geschliffen und in einem sanften grau-grünen Ton gestrichen. Ihre Bücher, ihre geliebte Keramik, ihre Fotos. Ihr einziger Rückzugsort, wo sie ungestört atmen konnte.
„Das ist mein Zimmer, Igor. MEINES. Du hast versprochen, dass da niemand rein wird. Dass du verstehst, wie wichtig das für mich ist.“
Er trat einen Schritt näher und legte seine Hand auf die Tischplatte.
„Lena, du bist eine erwachsene Frau. Sei nicht so… launisch. Es ist nur für kurze Zeit. Danach wird alles wieder, wie es war.“
Sie lachte leise, aber ihr Lachen war schwer und voller Traurigkeit.
„Es kommt nur zurück, was nicht bereits kaputt gemacht wurde. Und du machst alles kaputt, Igor. Langsam, systematisch. Und immer – hinter meinem Rücken.“
Er trat zurück.
„Es ist nur ein Zimmer. Nur Möbel. Mach kein Drama daraus.“
Lena trat nah an ihn heran.
„Es ist nicht einfach ein Zimmer. Es ist mein Lebensraum. Und du hast dich wieder eingemischt.“
Zwei Tage später kam Olga Sergeyevna mit zwei Koffern, einer Menge von Stoffen, einem Topf mit heißer Suppe und einem Gesicht, das bereits gewusst hatte: Es wird nicht einfach werden, aber sie war bereit für den Kampf. Igor war wie immer geschäftig, trug Koffer herum, während Lena in der Küche beobachtete, wie ihr Raum zu einem Lagerplatz für andere wurde.
„Oh, was für viel Staub habt ihr hier, Lena“, bemerkte die Schwiegermutter nach fünfzehn Minuten und klopfte sich imaginäre Krümel vom Fensterbrett ab. „Ich dachte, hier wäre es steril.“
„Ich dachte, Sie wären noch nicht angekommen“, bemerkte Lena trocken.
Der Streit nahm seinen Lauf, und Olgas Sachen landeten bereits direkt auf Lenas ordentlich gestapelten Büchern und Alben.
„Man hätte mich wenigstens vorher informieren können“, sagte Lena am Abend zu Igor, als sie alleine waren. „Ein einziges Wort hätte genügt.“
Er schaute mit dem Handy in der Hand auf und antwortete kurz: „Du wusstest es doch. Alles ist okay. Wir werden das überstehen.“
„Wir sind ich und du. Nicht du und Mama. Wenn du mit ihr leben willst – dann mach das. Aber nicht in meiner Wohnung.“
Er schaute überrascht auf: „Oh, jetzt geht’s los. „Meine Wohnung“. Bedeutet das, ich bin hier nichts wert?“
„Nein. Aber du verhältst dich so, als wäre ich nichts.“
Die folgenden Tage wurden zu einer wahren Geduldsprobe für Lena: Morgens – Kritik am Tee (»Nicht kochend heiß, sondern etwas warm!“), tagsüber – Umstellung ihrer Sachen (»Ich habe dir einfach Platz freigemacht, du benutzt es ja doch nicht!“), abends – lange Gespräche von Igor mit seiner Mama, wo sie über Lena sprachen, als wäre sie ein unvollendetes Projekt.
Am dritten Tag hielt Lena es nicht mehr aus.
„Olga Sergeyevna“, sagte sie, als sie in ihr einstiges Zimmer trat, das jetzt mit Teppichen behängt und mit schwerer, altmodischer Möbel ausgestattet war, „erinnern Sie sich wirklich daran, dass dies nicht Ihr Zuhause ist?“
Die Schwiegermutter schaute Lena an, als hätte sie eine uralte, ungeschriebene Regel des Zusammenlebens in einem Haus verletzt.
„Und du, Lena, glaubst wirklich, dass eine Familie getrennt leben sollte? Oder willst du einfach alleine sitzen, wie eine Katze auf dem Dachboden?“
Lena biss sich auf die Lippen, um nicht zu viel zu sagen.
„Ich möchte dort leben, wo ich in Ruhe gelassen werde. Wo meine Sachen an ihrem Platz stehen und nicht ohne mein Wissen durch die Wohnung fliegen. Wo meine Bücher nicht herumgetragen und meine Papiere nicht umgelegt werden. Ich will in einem Zuhause leben, nicht in einem Wartezimmer für Umzüge aus dem letzten Jahrhundert.“
Olga Sergeyevna erhob sich, die Arme vor der Brust verschränkt, als wollte sie jetzt eine Moralpredigt halten.
„Es ist schwierig mit dir, Lena. Dein Wort ist scharf wie eine Säge. Du stellst deinen Mann von der Familie weg, die Familie vom Zuhause. Und was dann? Wenn du alleine bleibst, womit wirst du dich trösten?“
„Lieber alleine, als mit denen, die glauben, dass Liebe ein ständiger Test für Geduld ist.“
Lena wandte sich ab und verließ den Raum. In der Küche saß Igor, versunken in sein Handy. Sie sah ihn an und erkannte plötzlich, dass sie nichts fühlte. Weder Wut noch Groll, noch die gewohnte Hoffnung.
„Sag mir ehrlich“, fragte sie leise, „würdest du es bemerken, wenn ich einfach verschwinden würde?“
Er schwieg. Und das genügte.
Am Freitagabend kam Lena müde und mit einer schweren Tasche nach Hause. Das Erste, was ihr ins Auge fiel, waren die riesigen Säcke vor der Tür. Zweitens war Olga Sergeyevna bequem in ihrem ehemaligen Sessel mit einem strickenden grauen Etwas eingeräumt.
„Was ist das?“ nickte Lena auf die Säcke.
„Morgen bringen wir es weg“, sagte die Schwiegermutter gleichgültig. „Du arbeitest spät, ich wollte dich nicht stören.“
Lena zog die Schuhe aus und hörte nach. Stille.
„Wo ist Igor?“
„Mit Freunden. Er ist in die Sauna gefahren. Ist das für dich in Ordnung?“
„Für mich schon. Aber es ist seltsam, dass das nicht mit mir besprochen wird, sondern mit Ihnen. Oder sind Sie jetzt die Hauptdisponentin in unserer Familie?“
„Lena“, seufzte die Schwiegermutter und hob den Blick von ihrer Strickarbeit. „Ich wollte doch nur helfen. Es war so ein Chaos! Ich habe die Schränke aufgeräumt, die Teppiche ausgeschüttelt und einige deiner alten Bücher weggeworfen – die sammeln nur Staub. Und diese Teile, die du sammelst…“
Ein stechender Schmerz durchzuckte Lenas Schläfe.
„Sie haben meine Bücher weggeworfen?“
„Nun, so schnell? Nicht alle! Nur die, die schon zerfallen sind. Und diese… ausländischen. Was willst du denn damit anfangen?“
Lena ging in ihr ehemaliges Zimmer. Alles war jetzt fremd – ein buntes Überwurf, Rüschen an den Vorhängen, Teppiche an den Wänden. Auf ihrem Tisch stand ein Glas mit Knöpfen. Ein Symbol für die endgültige Erosion ihres Raumes.
„Wo sind meine Notizbücher?“
„Welche Notizbücher?“
„Die, in denen meine Pläne, Zeichnungen, Fotos, Skizzen… fünf Jahre lang gesammelt wurden.“
„Vielleicht in den Säcken. Ich habe sie nicht durchgeschaut. Dort sind übrigens deine Boxen. Ich wollte sie morgen wegwerfen. Schau sie dir an, wenn du magst.“
Lena setzte sich auf den Boden an die Treppe. Sie kniete vor den Säcken. Öffnete einen. Darin waren zerknüllte Seiten, gebrochene Fotografien und ihre Notizbücher – zerdrückt von einer Kiste mit etwas Schwerem.

So blieb sie zwanzig Minuten sitzen. Menschen gingen vorbei, schauten verdutzt. Eine Nachbarin murmelte: „Wieder etwas bei ihnen… arme Mädchen“ – und verschwand im Aufzug.
Als Lena zurückkam, zauberte die Schwiegermutter schon am Herd.
„Ich habe dir Suppe gemacht. Mit Zunge. Igor liebt sie. Ich habe das Fleisch den ganzen Morgen überall gesucht…“
Lena trat ruhig auf sie zu. Zu ruhig.
„Olga Sergeyevna. Morgen werden Sie hier nicht mehr sein. Und übermorgen. Und überhaupt – nie mehr.“
„Was?“
„Packen Sie Ihre Sachen heute. Ich bestelle ein Taxi. Wenn Sie wollen – ein Umzugswagen.“
„Was? Du hast sie doch nicht alle! Ich bin die Mutter deines Mannes!“
„Und ich bin die Besitzerin dieser Wohnung. Und ich habe die Papiere. Igor ist hier vorübergehend angemeldet. Also – auf Wiedersehen.“
Olga Sergeyevna hob die Hände: „Bist du verrückt geworden? Ich werde ihm alles erzählen!“
„Das ist schön. Lass ihn kommen. Mit seinen Sachen. Und nehmt Sie mit. Für immer.“
„Du zerbrichst die Familie, Elena!“
„Nein. Die Familie zerbricht sich selbst, wenn sie denkt, ich bin nichts. Ich bin kein Nichts. Ich bin ein Mensch. Der das Recht auf ein Leben hat.“
Sie ging ins Schlafzimmer. In ihr echtes Schlafzimmer, wo noch ihr Bett stand und ihre Kleider hingen. Sie setzte sich im Dunkeln auf das Bett. Weinte leise. Aber nicht lange – sie wusste, dass es vor ihr noch schwieriger werden würde, aber auch klarer.
Am gleichen Abend reichte sie die Scheidung ein. Ruhig. Wie eine Krankenschwester im Operationssaal: eins, zwei, drei – Papiere, Scans, Abschicken.
Am Morgen fuhr die Schwiegermutter ab – lärmernd, mit Drohungen und Geschrei. Und Igor kam nicht einmal. Er schickte nur eine kurze Nachricht: „Du hast übertrieben. Wir sprechen darüber.“
Aber das Gespräch fand nicht mehr statt.
An dem Tag, als Lena nach Hause zurückkehrte, herrschte in ihr dieser besondere Frieden, der kurz vor einem Gewitter eintritt. Es schien, als sei die Stadt unverändert, als würde der Bus wie immer lärmen, und der Duft von Kaffee an der Ampel würde in die vertraute Cafeteria locken – und in ihrer Brust war ein kaltes Kloß, eine Vorahnung: Zu Hause erwartet sie etwas Schlechtes.
Der Schlüssel steckte im Schloss fest, als wollte er sich widersetzten. Aber eintreten musste sie – es war schließlich ihr Zuhause. Ein Heim, das sie über Jahre hinweg gebaut hatte: Sie hatte selbst die Wände im Frühling gestrichen, die Fenster im vergangenen Herbst ausgetauscht, Möbel nach Stimmung und ihrem Wunsch ausgewählt. Alles hier sind Stücke von ihr selbst.
Sie trat über die Schwelle… und blieb stehen.
Im Wohnzimmer herrschte Chaos. Eine zerbrochene Vase, genau die, die auf dem Couchtisch stand. Bücher – vermischt mit Zeitschriften, einige Dinge fehlten völlig. Auf dem Regal mit den Fotos klafften leere Plätze: das Bild, auf dem sie mit Igor am Meer sind, war verschwunden. Schachteln mit ihren Sachen, die für die Datscha gepackt waren, lagen offen und überquollen, als sollten sie weggeworfen werden.
In der Küche – ein Herd mit zerkratzter Abdeckung, der Kühlschrank, den sie mit ihren eigenen Ersparnissen gekauft hatte, war abgeschaltet. Die Vorhänge waren abgenommen und zu einem Knäuel verknotet.
In ihrem Zimmer, wo sie früher mit einem Buch und einer Tasse Tee versteckt war, standen nun alte Stühle mit abgewetztem Bezug und unbekannte Kartons. Die Regale waren halb leer, halb mit fremden Dingen vollgestopft.
Lena ging in den Flur, setzte sich auf den Boden und umschlang ihren Kopf mit den Händen. In ihrem Inneren gab es nur einen Gedanken: „Wie? Wie kann man in das Leben eines anderen eindringen und es umkehren? Und das als Hilfe bezeichnen? Das ist keine Hilfe. Das ist Krieg.“
Das Telefon läutete. Igor.
Sie nahm den Hörer ab.
„Lena, ich weiß, dass du wütend bist. Mama wollte helfen. Du hast gesehen, wie sie sich bemüht hat.“
„Helfen? Sie hat alles zerstört, was ich aufgebaut habe. Hast du gesehen, wie es in der Wohnung aussieht?“
„Wir werden alles in Ordnung bringen. Wir sind zusammen. Ich liebe dich.“
Sie schwieg. Liebe? Wie kann man lieben, solange man still zulässt, dass jemand anderes über dein Leben trampelt?
„Igor. Wenn du nicht auf meiner Seite bist, dann bist du nicht mehr mein Mann. Du bist nur noch der Sohn, der sich scheut, seiner Mutter zu widersprechen.“
Eine Antwort kam nicht.
Am nächsten Morgen rief Lena beim Anwalt an. Sie sprach ruhig, ohne hysterisch zu werden, aber mit Entschlossenheit in ihrer Stimme. Sie besprachen die Papiere, die Verantwortung, die Möglichkeiten des Schutzes. Sie notierte jedes Wort.
Zu Hause war es still. Igor tauchte nicht auf, die Schwiegermutter schien sich in Luft aufzulösen. Lena erkannte: Sie war allein. Und das war beängstigend, aber auch gleichzeitig erleichternd.
Sie nahm ein Tuch und begann aufzuräumen. Wand für Wand, Regal für Regal – sie holte sich ihr Zuhause zurück. Die Nachbarn schauten vorbei und fragten, ob sie helfen könnten. Manche brachten Ratschläge, andere einfach Tee. Diese Kleinigkeiten hielten sie über Wasser.
Abends erinnerte sie sich an ihre Kindheit. Wie ihre Mutter sie mit schweren Taschen verfolgte, wie ihr Vater ging und nie zurückkehrte. Damals hatte sie sich geschworen: Ihr Zuhause wird stark und geschützt sein. Und jetzt – musste sie es neu erkämpfen.
Mit jedem weggeräumten Gegenstand wuchs ihre Kraft. Sie verstand: Es ist möglich, nicht nur die Wände, sondern auch sich selbst wiederherzustellen.
Eine Woche später kam Igor schließlich vorbei.
„Hast du es dir anders überlegt?“, fragte sie ruhig.
„Lena, ich…“
„Nein, Igor. Ich kann nicht mit Menschen leben, die mein Leben zerstören und mich nicht als Menschen ansehen.“
Er senkte den Blick.
„Ich habe die Scheidung eingereicht.“
Die Stille war so dick wie nach einem Sturm.
Monate vergingen. Die Wohnung lebte wieder: Die Wände strahlten frisch angestrichen, die Dinge standen dort, wo sie es wollte. Aber am wichtigsten war, dass Lena gelernt hatte, sich zu schützen.
Und obwohl das Ende nicht das war, wovon sie geträumt hatte, war es ehrlich. Und das war ihr neues Leben – ruhig, ihr eigenes, ohne fremde Menschen und fremde Hände in ihren Schränken.