Ein neuer Anfang: Светлана и её квартира

Svetlana stand vor dem Spiegel und betrachtete ihr Spiegelbild. Das schneeweiße Kleid passte perfekt zu ihrer Figur, der Schleier fiel sanft über ihre Schultern, und das Make-up war makellos. Es schien, als wäre dies der Tag ihrer Träume – der Moment, auf den sie so lange gewartet hatte.

Doch in ihrem Inneren fühlte sie sich eigenartig leer.

Mit der Hand strich sie über den Stoff des Kleides, richtete eine Strähne am Schläfe und erinnerte sich daran, wie alles begann. Vor einem Jahr traf sie Denis auf einer Firmenfeier. Er war groß, attraktiv, mit einem angenehmen Lächeln und selbstbewussten Manieren. Er arbeitete als Manager in einem großen Unternehmen, fuhr ein anständiges Auto und sprach die richtigen Dinge.

Seine Art der Werbung war eindrucksvoll. Blumen, Restaurantbesuche, Komplimente. Светлана war berührt. Nach ein paar gescheiterten Beziehungen sehnte sie sich nach Stabilität, Zuverlässigkeit, und einfach menschlicher Wärme. Denis schien genau das zu sein – zuverlässig.

Sechs Monate später machte er einen romantischen Antrag. Mit einem Ring, auf einem Knie. Светлана sagte sofort ja. Ihre Eltern freuten sich, die Freundinnen gratulierten, und alles verlief nach Plan.

Die Vorbereitungen für die Hochzeit dauerten mehrere Monate. Светлана übernahm alles selbst: sie wählte das Restaurant, bestellte das Kleid, stellte das Menü zusammen und verschickte die Einladungen. Denis half ein wenig, aber eher formell – er nickte und sagte, dass alles großartig sei.

Drei Monate vor der Hochzeit fasste Светлана eine wichtige Entscheidung. Sie verkaufte ihre alte Einzimmerwohnung am Stadtrand. Dort hatte sie fünf Jahre nach der Universität gelebt und jeden Cent gespart, den sie auf jede Gehaltsabrechnung legte. Sie lebte bescheiden, verzichtete auf Vergnügungen, kleidete sich einfach. Alles nur, um auf eine größere Wohnung zu sparen.

Und dann fand sie den perfekten Ort. Eine zwei Zimmerwohnung in einem Neubau, hell, frisch renoviert und in einem guten Viertel. In der Nähe gab es Parks, Schulen und Läden. Alles, von dem sie geträumt hatte. Sie zahlte das Geld, regelte die Dokumente und erhielt die Schlüssel. Es war ihr Triumph, ihr Erfolg.

Die Eltern waren stolz. Ihre Freundinnen waren neidisch – im positiven Sinne. Denis sagte, dass sie großartig sei, dass sie nun ein eigenes Zuhause hätten und dass er glücklich sei.

Alles schien perfekt zu sein.

Doch eine Kleinigkeit störte sie. Nina Sergeevna.

Die Mutter von Denis.

Die erste Begegnung fand vor zwei Monaten statt. Denis brachte Светлана zu sich nach Hause, um sie seiner Mutter vorzustellen. Nina Sergeevna lebte allein in einer älteren Dreizimmerwohnung am Stadtrand. Die Wohnung war sauber, aber düster. Schwere Möbel, dunkle Farben, viele alte Bilder an den Wänden.

Sie begrüßte Светлана ohne ein Lächeln. Sie musterte sie von Kopf bis Fuß mit einem durchdringenden Blick und nickte:

— Nun, hallo. Komm rein.

Sie setzten sich an den Tisch. Nina Sergeevna machte Tee, holte Kekse und begann Fragen zu stellen. Über die Arbeit, ihre Eltern, die Zukunftspläne. Светлана antwortete ruhig und bemühte sich, höflich zu sein.

— Ich habe gehört, du hast eine Wohnung gekauft, — sagte plötzlich Nina Sergeevna, während sie sich selbst eine zweite Tasse einschenkte. — Eine Zwei-Zimmer-Wohnung, in einem Neubau.

— Ja, — nickte Светлана. — Ein guter Ort. Ich habe lange gesucht.

Nina Sergeevna schnaubte und blickte sie mit einem seltsamen Lächeln an:

— Nun, ich sage dir eines, Mädchen. Nach der Hochzeit wird alles gemeinsam. Familär. Du solltest also nicht eitel werden und denken, das sei nur deins.

Damals schwieg Светлана. Sie dachte, es sei nur die ältere Generation mit ihren Ansichten. Sie wollte die Beziehungen vor der Hochzeit nicht belasten. Denis sagte auch nichts, wechselte einfach das Thema.

Doch nun, als Светлана sich an das Gespräch erinnerte, wurde ihr klar – es war eine Warnung.

Und nun war der Hochzeitstag gekommen.

Светлана atmete tief durch und verließ das Zimmer. Im Saal hatten sich bereits die Gäste versammelt. Musik spielte, Kellner bewegten sich zwischen den Tischen, alles war bis ins kleinste Detail organisiert. Sie gab ihr Bestes, wollte, dass dieser Tag in Erinnerung bleibt.

Denis stand am Eingang und lächelte die Gäste an. Als er die Braut sah, kam er näher und umarmte sie um die Taille.

— Die Schöne, — flüsterte er. — Meine Frau.

Светлана lächelte, obwohl in ihrem Inneren ein Gefühl von Unruhe aufkam. Sie wusste nicht, warum. Nur ein leichtes, fast unmerkliches Gefühl.

Die Zeremonie verlief schnell. Gelübde, Kuss, Applaus. Danach begann das Bankett. Die Gäste aßen, tranken und tanzten. Светлана saß am Tisch, lächelte und antwortete auf die Toasts und Glückwünsche.

Nina Sergeevna saß auf der anderen Seite des Tisches und betrachtete die Braut mit einem besonderen Ausdruck. Nicht feindlich, aber auch nicht warm. Eher bewertend, wie man ein Produkt im Geschäft mustert.

Denis setzte sich zu Светлана, umarmte sie lässig. Sein Gesicht war leicht rot — er hatte wohl zu viel Sekt getrunken. Seine Augen glänzten, das Lächeln wurde breiter, die Bewegungen lockerer. Er lachte lauter als gewöhnlich, klopfte seinen Freunden auf die Schultern und erzählte Witze.

— Der beste Tag meines Lebens! — rief er laut, damit es die Tischnachbarn hören. — Ich bin ein glücklicher Mensch! Jetzt wird alles gut!

Светлана nickte, aber etwas in seinem Ton beunruhigte sie. Er war zu zufrieden. Nicht wie ein verliebter Bräutigam, sondern wie jemand, der einen gewinnbringenden Deal abgeschlossen hatte.

Denis beugte sich näher zu ihr, fast berührte er mit seinen Lippen ihr Ohr. Der Geruch von Alkohol traf sie heftig. Er hielt sein Glas an seine Lippen und flüsterte mit zufriedener Miene:

— Weißt du, ich habe alles schon mit Mama besprochen. Deine Wohnung wird ihr gehören. Sie ist allein, sie braucht Unterstützung. Und wir werden uns eine bescheidene Unterkunft mieten. Das wäre das Richtige.

Светлана erstarrte. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie sicher war, alle um sie herum hörten es. Ihr Kopf wurde heiß, die Ohren glühten. Langsam drehte sie den Kopf und sah ihren Mann an. Er lächelte. Einfach lächelte, als hätte er gerade etwas vollkommen Normales gesagt.

— Was? — fragte sie leise und hoffte, sie hätte sich verhört.

Denis zwinkerte ihr zu und klopfte ihr auf die Schulter:

— Nun, du hast es verstanden. Mama ist bereits informiert. Wir regeln das später. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt dafür. Es ist eine Feier!

Er stand auf und ging zu seinen Freunden, die ihn zum Trinken einluden. Светлана blieb am Tisch sitzen, starrte auf ihren leeren Teller vor sich. Die Gäste lachten, stießen mit Gläsern an, die Musik spielte, aber sie hörte nichts. In ihren Ohren dröhnte es, als wäre sie unter Wasser getaucht.

Die Wohnung. Ihre Wohnung. Die, die sie selbst gekauft hatte. Von ihrem Geld. Sie hatte die alte Einzimmerwohnung verkauft, in der sie fünf Jahre gelebt hatte und jeden Cent gespart hatte. Die zwei Zimmer in dem Neubau, von der sie geträumt hatte, die sie mit Liebe eingerichtet hatte, in der sie plante, mit ihrer Familie zu wohnen.

Und er hatte gerade gesagt, er würde sie seiner Mutter geben.

Светлана erhob sich vom Tisch. Ihre Beine waren wackelig, aber sie zwang sich zu gehen. Sie ging an den Gästen und tanzenden Paaren vorbei in den Flur. Sie lehnte sich gegen die Wand, schloss die Augen und versuchte ruhig zu atmen.

Ihre Freundin Ksenia sah sie und kam näher:

— Света, was ist los? Geht es dir nicht gut?

— Es ist in Ordnung, — murmelte Светлана. — Nur ein bisschen zu warm. Das geht gleich vorbei.

— Verstehe. Lass uns an die frische Luft gehen?

— Nein, ich bin gleich zurück. Ich brauche nur einen Moment.

Ksenia nickte und ging. Светлана blieb allein. Sie holte ihr Handy heraus, schaltete den Bildschirm ein und starrte auf den Hintergrund. Ein Bild mit Denis. Sie lächelten beide, umarmten sich. Es kam ihr vor, als wäre das lange her.

Sie erinnerte sich an all die kleinen Dinge, die ihr früher nicht im Ganzen zusammengepasst hatten. Wie Denis immer Gespräche über die Zukunft vermied. Wie er scherzte, wenn sie fragte, wo sie nach der Hochzeit wohnen würden. Wie seine Mutter ständig auf das gemeinsame Eigentum anspielte. Wie er nie vorschlug, seinen Namen in die Wohnungspapiere einzutragen, aber wr ständig sagte, dass sie eine Familie seien.

Und sie dachte, er wollte einfach nicht materialistisch sein. Dass ihm die Gefühle wichtiger waren als die Papiere. Wie naiv sie doch war.

Светлана ging zurück in den Saal. Sie setzte sich wieder an ihren Platz. Denis saß bereits an einem anderen Tisch, umarmte Freunde, trank, lachte. Nina Sergeevna beobachtete sie und lächelte leicht. So zufrieden, so selbstsicher.

Und Светлана begriff — sie hatten alles im Voraus geplant. Noch vor der Hochzeit.

Das Bankett endete spät. Die Gäste gingen, das Brautpaar war allein. Denis fiel betrunken ins Bett und schlief sofort ein. Светлана stand neben ihm und sah ihn an. Er schnarchte, die Arme weit ausgebreitet. Sein Gesicht zeigte ein glückliches Lächeln.

Sie zog das Kleid aus, hängte es in den Schrank. Sie legte sich neben ihn, konnte aber nicht schlafen. Sie lag mit offenen Augen bis zum Morgen und dachte über jedes Wort und jede Kleinigkeit nach.

Mit der Morgendämmerung trat sie eine Entscheidung.

Denis wachte gegen Mittag mit einem schmerzenden Kopf und einem benommenen Blick auf. Светлана war bereits gekleidet und vorbereitet.

— Wohin gehst du? — murmelte er, als er sich gegen das Licht blinzelte.

— Ich habe etwas zu erledigen, — antwortete sie kurz.

— Was für Dinge? Wir sind frische Eheleute. Lass uns ein bisschen liegen bleiben, uns ausruhen.

— Später, — sagte Светлана und ging.

Sie fuhr zum MFC. Sie nahm eine Nummer, wartete auf ihre Reihe und trat ans Fenster.

— Guten Tag, — sagte sie zur Angestellten. — Ich möchte einen Verfügungsbeschluss gegen alle Geschäfte mit meiner Wohnung ohne meine physische Präsenz und notariell beglaubigte Zustimmung erwirken.

Die Frau hinter dem Fenster nickte:

— Bitte Ihren Ausweis und die Unterlagen zur Wohnung.

Светлана übergab die Papiere. Füllte den Antrag aus. Unterschrieb. Nach zwanzig Minuten war alles erledigt. Jetzt konnte niemand – wirklich niemand – ihre Wohnung ohne ihre persönliche Zustimmung und Anwesenheit verkaufen, verschenken oder in irgendeiner Weise darüber verfügen.

Als sie nach Hause zurückkehrte, machte sie Kopien aller Dokumente. Die Originale verbarg sie in einem Safe, der bei ihren Eltern stand. Die Kopien behielt sie für den Fall der Fälle. Eine weitere Kopie gab sie für die Aufbewahrung Ksenia.

— Was ist los? — fragte ihre Freundin, als sie den Umschlag entgegennahm.

— Ich erzähle es später, — antwortete Светлана. — Bewahre es einfach auf. Falls etwas ist – diese Dokumente bestätigen, dass die Wohnung mir gehört.

Denis schlief immer noch, als sie zurückkam. Светлана setzte sich in die Küche, machte sich einen starken Tee und wartete.

Er kam erst am Abend heraus, zerzaust und mit roten Augen.

— Mein Kopf platzt, — beklagte er sich. — Hast du etwas gegen den Kater?

Светлана reichte ihm schweigend Tabletten und Wasser. Er trank, setzte sich ihr gegenüber.

— Hör mal, was hast du gestern über die Wohnung gesagt? — fragte sie und sah ihm in die Augen.

Denis verzog das Gesicht:

— Ich? Ich habe nichts gesagt.

— Hast du gesagt. Auf der Hochzeit. Du hast gesagt, dass meine Wohnung deiner Mutter gehört, und wir uns eine Unterkunft mieten.

Er stockte, wandte den Blick ab und rieb sich die Nasenwurzel.

— Nun… Ich habe ja nur einen Scherz gemacht. Glaubst du wirklich, ich habe es ernst gemeint?

— Es schien nicht wie ein Scherz.

— Света, du weißt doch, dass ich viel rede, wenn ich trinke. Nimm das nicht ernst. Das ist Unsinn.

Светлана schwieg. Sie sah ihn einfach an. Denis war unruhig auf dem Stuhl und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch.

— Na gut, vergiss es. Lass uns besser überlegen, wo wir in die Hochzeitsreise fahren. Vielleicht in die Türkei? Oder nach Sotschi?

Doch Светлана vergaß nicht.

Die Tage vergingen. Denis telefonierte mit seiner Mutter und diskutierte lange am Telefon. Светлана hörte Fragmente von Sätzen: Wohnung, Dokumente, Notar, Aufenthalt. Danach legte er auf und sagte:

— Mama möchte sich mit uns treffen. Um einige Fragen zu klären.

— Welche Fragen? — fragte Светлана, obwohl sie schon ahnte, was kommen würde.

— Nun, familiäre. Über das Wohnen, die Aufteilung der Verpflichtungen. So wie es die Leute machen. Das ist normal.

— Gut, — nickte Светлана. — Lassen Sie uns treffen.

Das Treffen war für Samstag in einem Café angesetzt. Светлана kam pünktlich an. Denis und seine Mutter saßen bereits an einem Tisch am Fenster.

Nina Sergeevna sah zufrieden und sicher aus. Frisiert, geschminkt, in einem strengen Anzug. Auf ihrem Gesicht spielte ein herablassendes Lächeln, wie bei jemandem, der bereits gewonnen hat.

— Светочка, setzen Sie sich, — sagte sie und deutete auf den Stuhl gegenüber. — Lassen Sie uns die wichtigen Dinge erwachsen und sachlich besprechen.

Светлана setzte sich. Sie legte ihre Tasche auf den Schoß, legte die Hände auf den Tisch und richtete den Rücken auf.

— Ich höre.

— Also so, — begann Nina Sergeevna, ohne auf Fragen zu warten. — Da du jetzt eine Familie bist, müssen wir alles richtig organisieren. Du hast eine zwei Zimmerwohnung. Groß und hell. Ich kann allein in meiner Dreizimmerwohnung am Ende der Stadt nicht leben. Ich bin nicht mehr jung, meine Gesundheit ist nicht mehr die beste. Und der Stadtteil dort ist unsicher. Daher wäre es fair, wenn du deine Wohnung auf mich überträgst. Und du und Denis mietet euch etwas Einfaches, näher am Zentrum. Ihr seid jung, euch wird das nicht schwer fallen. Und so ist es auch bequemer – ihr müsst euch nicht mit einer Hypothek herumschlagen.

Светлана hörte schweigend zu. Denis saß neben seiner Mutter und sah nicht zu seiner Frau. Er hielt den Blick auf seine Kaffeetasse gerichtet, rührte mit einem Löffel, obwohl der Zucker längst schon aufgelöst war.

Nina Sergeevna fuhr fort und gewann an Fahrt:

— Das ist übrigens eine normale Praxis. In normalen Familien machen sie das so. Die ältere Generation muss versorgt und geschützt werden. Und ihr seid noch jung, ihr werdet verdienen. Euer Leben liegt vor euch. Und zudem, wenn ich nicht mehr bin, wird euch trotzdem alles irgendwann gehören. Das ist also nur eine Formalität. Vorübergehend.

Sie sprach ruhig, sicher, als wäre dies bereits eine beschlossene Angelegenheit. Als müsste Светлана nur nicken, die Papiere unterschreiben und sich für die Möglichkeit bedanken, der Familie helfen zu dürfen.

Светлана hielt eine Atempause. Dann hob sie den Blick und sah Nina Sergeevna direkt an, ohne zu lächeln, ohne Emotionen.

— Nein, — sagte sie gleichmäßig und deutlich.

Die Schwiegermutter zuckte zusammen, überrascht von dieser Antwort:

— Was — nein?

— Ich werde die Wohnung nicht auf euch übertragen. Das ist mein Eigentum. Ich habe sie mit meinem Geld, das ich selbst verdient habe, gekauft. Ich habe meine Mühe, meine Zeit und meine Kraft investiert. Und sie gehört mir. Punkt.

Nina Sergeevna runzelte die Stirn, ihr Gesicht wurde hart:

— Was? Machst du Witze? Wir haben doch eine Vereinbarung getroffen!

— Wir haben keine Vereinbarung getroffen, — antwortete Светлана ruhig. — Das hast du alles ohne mich entschieden. Aber ich bin kein Objekt und kein Kind. Ich bin eine erwachsene Person und treffe meine eigenen Entscheidungen.

— Denis! — Nina Sergeevna wandte sich abrupt ihrem Sohn zu. — Sag ihr etwas! Erklär ihr, wie das funktioniert!

Denis hob schließlich seinen Blick. Sein Gesicht war blass, Schweiß stand ihm auf der Stirn.

— Света, lass uns vernünftig sein. Mama hat recht. Sie braucht wirklich Unterstützung. Das ist Familie. Wir müssen uns gegenseitig helfen.

— Ich bin nicht verheiratet, um Eigentum abzugeben, — sagte Светлана und sah ihn direkt in die Augen. — Und wenn das für dich dasselbe ist, dann verstehen wir beide nicht, was Ehe bedeutet.

Nina Sergeevna sprang auf und hätte fast ihre Tasse umgestoßen:

— Ach ja?! Also ist es dir egal, was mit der Familie passiert? Du bist egoistisch! Du denkst nur an dich selbst! Denis, hörst du, mit wem du zusammen bist?!

— Ich bin nicht egoistisch, — widersprach Светлана, ohne ihre Stimme zu erhöhen. — Ich bin einfach kein Narr. Ihr wollt, dass ich die Wohnung, die ich selbst erworben habe, abgebe und selbst nichts bekomme. Das nennt man keine familiäre Unterstützung, sondern ganz normalen Raub in der Mittagssonne.

— Wie kannst du es wagen?! — Nina Sergeevna packte ihre Tasche, ihr Gesicht wurde rot. — Denis, hörst du, was sie sagt?! Wirst du das tolerieren?!

Denis schwieg. Er saß und starrte auf den Tisch, beißend die Zähne zusammen, ohne die Augen zu heben.

— Das ist es, ich gehe! — erklärte Nina Sergeevna. — Und du, mein Sohn, denke gut darüber nach, mit wem du lebst. Mit dieser… dieser Zicke, die deine Mutter verachtet!

Sie drehte sich um und verließ das Café, dabei knallte die Tür laut zu. Einige Gäste an Nachbartischen schauten auf. Светлана und Denis blieben allein.

Sie schwiegen lange. Dann sprach Denis schließlich, ohne sie anzusehen:

— Du hättest nachgeben können. Es ist schließlich meine Mutter. Es ist wirklich schwer für sie alleine.

— Und ich bin deine Frau, — antwortete Светлана. — Aber anscheinend ist das für dich nicht viel wert.

— Fang bitte nicht an.

— Ich fange nicht an. Ich beende es.

Sie stand auf, nahm ihre Tasche und warf sich einen Mantel über.

— Света, warte…

— Nein, Denis. Ich werde nicht warten. Du hast gezeigt, wer du wirklich bist. Du hast gezeigt, dass du bereit bist, mich für deine Mutter zu verraten. Du hast gezeigt, dass ich für dich kein Partner, kein geliebter Mensch bin, sondern nur eine praktische Quelle für eine Wohnung. Ein bequemes Arrangement.

— Das ist nicht wahr! Ich liebe dich!

— Nein. Du liebst meine Wohnung. Und mich erträgst du einfach. Das ist ein großer Unterschied.

Sie verließ das Café, ohne sich umzudrehen.

In der folgenden Woche sprachen sie nicht. Denis versuchte zu telefonieren, schrieb Nachrichten und bat um ein Treffen. Светлана antwortete nicht. Sie dachte nach. Wog ab. Versuchte zu verstehen, ob sie überhaupt eine Chance hatten.

Doch jedes Mal, wenn sie sich an seine Worte bei der Hochzeit erinnerte, an sein Schweigen im Café, an seinen Blick voller Verwirrung statt Unterstützung, wurde ihr klar – die Chance war weg.

Eine Woche später kam sie zu ihm nach Hause. Er öffnete die Tür mit einem hoffnungsvollen Gesichtsausdruck.

— Света! Endlich! Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Lass uns reden, alles besprechen!

— Denis, wir müssen wirklich ernsthaft reden.

Sie setzten sich im Wohnzimmer. Светлана legte die Hände auf die Knie, richtete den Rücken auf und sammelte sich.

— Ich möchte mich scheiden lassen.

Denis wurde blass, öffnete den Mund, konnte aber kein Wort herausbringen. Dann presste er heraus:

— Was? Aber wir haben erst geheiratet! Es sind nur zwei Wochen vergangen!

— Genau deshalb. Besser jetzt als in zehn Jahren, mit Kindern, Hypothek und einem Haufen von gegenseitigen Vorwürfen.

— Света, du kannst nicht einfach…

— Doch. Und ich werde es tun. Du hast mir gezeigt, dass du mich nicht als Mensch, sondern als Eigentum siehst. Du und deine Mutter habt beschlossen, über meine Wohnung zu entscheiden, ohne mich zu fragen. Das ist keine Ehe. Das ist keine Familie. Das ist ein Handelsgeschäft. Und ich nehme daran nicht teil.

— Ich… Ich wollte nicht… Das ist alles Mama! Ich wusste einfach nicht, wie ich ihr absagen sollte!

— Aber du hast es auch nicht versucht. Du hast zugestimmt. Das ist der Punkt. Du hast nicht für mich interveniert. Du hast geschwiegen, als du mich schützen solltest. Und dann hast du auch noch den Vorwurf erhoben, dass ich nicht nachgeben wollte. Denis, ich möchte nicht mit einem Mann leben, der nicht in der Lage ist, seine Familie zu schützen. Der es vorzieht, Mamas Sohn zu sein, statt ein Partner.

Er senkte den Kopf, hielt sich das Gesicht mit den Händen, seine Schultern zitterten.

— Es tut mir leid, — sagte er leise. — Es tut mir leid, ich bin ein Idiot. Ich verstehe alles. Gib mir eine Chance. Ich werde alles wieder gut machen.

— Es ist zu spät, — antwortete Светлана. — Du hast dein wahres Gesicht schon gezeigt. Und ich vertraue dir nicht mehr. Ohne Vertrauen kann man keine Familie aufbauen.

— Aber ich liebe dich!

— Wenn du mich lieben würdest, hättest du mich nicht am ersten Tag nach der Hochzeit verraten.

Sie stand auf und ging zur Tür. Denis versuchte, sie aufzuhalten, packte sie am Arm:

— Света, warte! Wir können das alles besprechen! Ich werde Mama absagen! Ich sage, dass die Wohnung dir gehört! Ich werde alles tun, was du sagst!

— Es ist nicht mehr wichtig, — sagte Светлана und befreite ihren Arm. — Ich werde die Scheidung einreichen. Die Wohnung bleibt mein Eigentum, weil sie vor der Ehe erworben wurde. Es gibt nichts zu teilen. Ich hoffe, du wirst keinen Widerstand leisten und keinen Skandal verursachen.

Denis schwieg. Dann nickte er langsam und senkte den Kopf.

Светлана ging hinaus. Sie sah ihn bis zur Gerichtsverhandlung nicht wieder.

Die Scheidung verlief schnell. Beide gingen ins Standesamt und reichten den Antrag ein. Ein Monat später erhielten sie die Urkunde. Keine Ansprüche, keine Auseinandersetzungen. Nur zwei Menschen, die festgestellt hatten, dass sie einen Fehler gemacht hatten und rechtzeitig stoppten.

Светлана kehrte in ihre Wohnung zurück. Ihre. Nur ihre. Sie stand mitten im Wohnzimmer und betrachtete die Wände, die sie selbst ausgesucht hatte, die Möbel, die sie selbst gekauft hatte, die Fenster, aus denen sich die Aussicht auf die Stadt bot.

Es war ihr Zuhause. Ihre Arbeit. Ihr Leben.

Und niemand hatte mehr das Recht, darüber zu entscheiden.

Eine Woche später rief ihre Freundin Ksenia an:

— Ich habe gehört, du hast dich scheiden lassen. Wie geht es dir? Haltest du durch?

— Es geht mir gut, — antwortete Светлана. — Ehrlich gesagt sogar besser als zuvor.

— Bereust du es?

— Nein. Keinen einzigen Schimmer. Ich bin froh, dass ich die Wahrheit rechtzeitig herausgefunden habe. Bevor Kinder da sind. Bevor eine Hypothek. Bevor es zu spät geworden wäre, um etwas zu ändern.

— Du bist großartig, — sagte Ksenia respektvoll. — Ernsthaft. Ich würde den Mut nicht haben. Ich hätte Angst, allein zu bleiben.

— Es ist besser, allein zu sein, als mit jemandem, der dich verrät, — antwortete Светлана. — Und weißt du was? Das war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich bin stolz auf mich.

Sie legte auf und sah wieder auf ihre Wohnung. Hier war es ruhig, friedlich und gemütlich. Hier gab es keine fremden Menschen, die dachten, dass sie das Recht auf ihr Eigentum hätten. Hier war niemand, der schwieg, als es nötig gewesen wäre zu verteidigen. Hier war nur sie. Und das war wundervoll.

Ein paar Monate später traf Светлана Denis zufällig in einem Einkaufszentrum. Er war mit seiner Mutter. Nina Sergeevna, als sie die ehemalige Schwiegertochter sah, wandte sich demonstrativ ab und zerrte ihren Sohn am Ärmel. Denis nickte Светлана zu, wollte etwas sagen, sagte aber nichts. Er ging einfach vorbei.

Светлана nickte ihr zu und ging weiter. Ohne Wut. Ohne Verletzungen. Ohne Bedauern. Einfach vorbei. Wie man an Menschen vorbeigeht, die nichts mehr in deinem Leben bedeuten.

Am Abend saß sie auf dem Balkon mit einer Tasse Tee und sah dem Sonnenuntergang zu. Die Stadt war unten lebhaft, die Lichter gingen nach und nach an, das Leben pulsierte, und sie war hier, in ihrem Zuhause, in ihrer Festung, die sie selbst erbaut hatte.

Die Wohnung gehörte ihr. Aber das Wichtigste war — zusammen mit der Wohnung kam das Vertrauen zurück. Das Vertrauen, dass sie niemandem mehr erlauben würde, über ihr Leben, ihre Arbeit, ihre Entscheidungen, ihre Würde zu bestimmen.

Und das war unbezahlbar.

Светлана lächelte, nahm einen Schluck Tee und dachte, dass ihr noch viele Wege bevorstanden. Viele Möglichkeiten. Viele Begegnungen. Aber jetzt wusste sie genau — sie würde nur mit denjenigen diesen Wegen gehen, die sie respektieren. Und nicht mit denen, die in ihr nur ein Mittel zum Zweck sehen.

Sie schloss die Augen und atmete die Abendluft ein. Irgendwo in der Ferne spielte Musik, lachten Menschen, fuhren Autos. Das Leben ging weiter. Und sie war bereit dafür. Mit ihrer Wohnung, ihren Regeln, ihrer Würde, ihrer Freiheit.

Und dies war erst der Anfang eines neuen Kapitels. Ein Kapiteln, in dem sie nicht die Opfer, nicht das Mittel, nicht die bequeme Option war, sondern die Herrin. Die Herrin ihres Schicksals, ihres Hauses, ihres Lebens.

Und dies sollte niemand — niemand — jemals ändern.