„Meine Frau und ich beschlossen, ein Waisenhaus zu besuchen, um ein Kind zu adoptieren. Wir hätten nie erwartet, dort ein kleines Mädchen zu treffen, das unserer Tochter wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sah. Doch der Schock wurde noch größer, als wir eine Wahrheit erfuhren, die unser Leben für immer verändern sollte.
„Emily, bist du fertig? Meine Mutter passt auf Sophia auf, wir haben also den ganzen Tag Zeit.“ Ich zog meine Schuhe an, während Emily langsam die Treppe herunterkam. Sie wirkte angespannt und strich nervös über ihre Bluse.
„Ich glaube schon, David“, murmelte sie unsicher. „Ich hoffe nur, dass wir das Richtige tun. Was, wenn das Kind keine Verbindung zu uns aufbaut?“
Ich trat zu ihr und nahm ihre Hände in meine. „Wir haben so lange darüber gesprochen, Emily. Du hast alles vorbereitet, jedes Buch gelesen. Wir sind bereit. Außerdem – kein Kind kann deinen Pfannkuchen widerstehen.“
Emily lächelte schwach, ein zartes Rosa stieg ihr in die Wangen. „Danke, dass du so viel Vertrauen in mich hast.“
Sophia, meine fünfjährige Tochter aus meiner ersten Ehe, lugte aus dem Wohnzimmer hervor. „Mama, kann ich morgen auch Pfannkuchen haben?“
Emilys Blick wurde weich. „Natürlich, Liebling.“ Sie lächelte liebevoll, doch in ihren Augen lag eine Spur von Traurigkeit. Ich wusste, dass sie Sophia wie ihre eigene Tochter liebte, aber ich spürte auch, wie sehr sie sich ein weiteres Kind wünschte, das von Anfang an „Mama“ zu ihr sagen würde.
Die Fahrt zum Waisenhaus war von stiller Anspannung geprägt. Emily sah gedankenverloren aus dem Fenster und spielte nervös mit ihrem Ehering.
„Alles in Ordnung?“ fragte ich sanft.
„Ich habe Angst“, gab sie zu. „Was, wenn wir kein Kind finden, bei dem es sich richtig anfühlt?“
Ich drückte ihre Hand fest. „Emily, wir werden es spüren, wenn es soweit ist. Liebe findet immer ihren Weg.“
Im Waisenhaus wurden wir herzlich von der Leiterin, Mrs. Graham, empfangen. Eine ältere Dame mit silbernem Haar und einem warmen Lächeln. „Schön, dass Sie hier sind“, begrüßte sie uns freundlich.
„Vielen Dank“, antwortete Emily höflich. „Wir sind sehr aufgeregt… und ein bisschen nervös.“
„Das ist völlig normal“, beruhigte uns Mrs. Graham. „Warum setzen wir uns nicht kurz in mein Büro, bevor ich Ihnen die Kinder vorstelle?“
In ihrem gemütlichen Büro, umgeben von Fotos lachender Familien, erzählten wir, wonach wir suchten. „Wir sind für alles offen“, erklärte ich. „Das Wichtigste ist, dass wir eine Verbindung spüren.“
„Das verstehe ich gut“, nickte Mrs. Graham. „Ich werde Ihnen den Spielraum zeigen. Die Kinder sind alle einzigartig, und manchmal ist es einfach eine Frage des Herzens.“
Der Spielraum war erfüllt von Lachen. Kinder spielten, malten und tobten. Emily ließ sich von der lebhaften Atmosphäre mitreißen und sprach mit einem kleinen Jungen, der konzentriert Bausteine stapelte.
Währenddessen unterhielt ich mich mit einem Mädchen, das auf einer Tafel ein Einhorn malte. Plötzlich spürte ich ein leichtes Klopfen an meiner Schulter. Als ich mich umdrehte, stand dort ein kleines Mädchen mit neugierigen Augen. Sie war vielleicht fünf Jahre alt.
„Bist du mein neuer Papa?“ fragte sie mit leiser, aber bestimmter Stimme.
Mir verschlug es den Atem. Sie sah genauso aus wie Sophia – das gleiche honigbraune Haar, die gleichen Grübchen und runden Wangen. Doch was mich endgültig erstarren ließ, war ein halbmondförmiges Muttermal an ihrem Handgelenk. Sophia hatte genau dasselbe.
„Emily“, flüsterte ich, und meine Frau trat neben mich. Ihr Gesicht wurde blass, als sie das Mädchen betrachtete. „David… sie sieht aus wie Sophia.“
Das kleine Mädchen lächelte schüchtern. „Mögt ihr Puzzles?“ fragte sie und hielt ein Teil hoch.
Ich kniete mich nieder, mein Herz raste. „Wie heißt du?“ fragte ich mit zitternder Stimme.
„Angel“, antwortete sie fröhlich. „Die Dame hier meinte, der Name passt zu mir.“
Der Name traf mich wie ein Schlag. Angel war der Name, den meine Ex-Frau Lisa sich für eine Tochter gewünscht hatte. Erinnerungen strömten auf mich ein. Vor Jahren hatte Lisa mir gestanden, dass sie nach unserer Trennung schwanger war. Damals hatte sie mir Sophia übergeben, doch von Zwillingen hatte sie nie gesprochen.
Ich zog mein Handy hervor und wählte Lisas Nummer. Als sie abhob, fragte ich direkt: „Lisa, ist Angel Sophias Zwillingsschwester?“
Nach einem Moment der Stille gestand Lisa unter Tränen, dass sie die Zwillinge aus Angst und finanzieller Not getrennt hatte. Sie hatte nie die Kraft gefunden, die Wahrheit zu erzählen.
Ich legte auf, ging zurück zu Angel und kniete mich vor sie. „Angel, möchtest du mit uns nach Hause kommen?“
Ihr Gesicht erhellte sich, und sie nickte freudig. „Werde ich jetzt eure Tochter?“
Emily umarmte sie fest, ihre Tränen liefen frei. „Ja, Angel. Du bist unsere Tochter.“
Einige Wochen später war die Adoption abgeschlossen. Sophia und Angel waren von Anfang an unzertrennlich, als hätten sie nie getrennt gelebt. Unsere Familie war endlich vollständig. Und ich wusste, dass Liebe nicht nur ihren Weg findet – sie schreibt auch die unglaublichsten Geschichten.“