„Mein Mann schickt mich zur Arbeit: ‚Überweis das Geld immer der Mutter!’“

Ein Ehestrudel zwischen Familie und eigenen Bedürfnissen

Nach einer langen und anstrengenden Geschäftsreise war Nikolai voller Vorfreude auf ein gemütliches Abendessen, ein warmes Bad und ein weiches Bett. Er lächelte entspannt im Taxi, während die Stadt an ihm vorbeizog. Anfangs dachte er daran, bei seiner Mutter vorbeizuschauen, verzichtete aber darauf. „Warum soll ich sie jetzt noch belasten?“ – dachte er bei sich.

Nikolai war überzeugt, dass seine Frau Olga sehnsüchtig auf ihn wartete. Schließlich hatte er sie vorab über seine Ankunft informiert.

Als er aus dem Wagen stieg und zum Haus ging, blickte er automatisiert zu den Fenstern seiner Wohnung hinauf, die jedoch dunkel geblieben waren. Dies irritierte ihn, da er angenommen hatte, dass Olga, zusammen mit ihrem Sohn Aljoscha, am Esstisch saß. Auch die Fenster des Wohnzimmers waren unbeleuchtet.

„Ist sie etwa bei ihren Eltern?“ – überlegte er ärgerlich. „Ich habe doch gesagt, dass ich heute komme!“ Zwischen den beiden gab es jüngst Spannungen, dennoch glaubte Nikolai, dass Olga ihn vermisste und ihre Differenzen erkannt hatte.

Im Hausflur angekommen, schaltete er das Licht ein – doch nichts geschah.

„Was ist das denn für ein Unsinn?“, murmelte er ungläubig, während sein Blick erneut Richtung Treppenhaus wanderte. Dort schien alles normal, der Aufzug funktionierte, der Flur war hell erleuchtet. Die Zähler bestätigten: Strom lag bei den Nachbarn an, nur bei Nikolai nicht.

Er aktivierte die Taschenlampe seines Handys und inspizierte seine Räume – Strom war komplett ausgefallen.

„Vielleicht hätte ich doch gleich zur Mutter fahren sollen“, dachte Nikolai und wählte deren Nummer. Doch Anna Petrowsna war nicht erreichbar.

„Wahrscheinlich ist sie in ihrem Landhaus“, ärgerte sich Nikolai. Diese Fahrt mit der Bahn dauerte mehr als eine Stunde, und nach der anstrengenden Reise fühlte er sich zu müde dafür. Außerdem war es ungewiss, ob sie tatsächlich dort war. Die Mobilfunkverbindung war dort oft schlecht, und öfter schaltete Anna Petrowsna ihr Handy aus, wenn sie unerreichbar sein wollte.

Also rief Nikolai erneut Olga an:

„Olga, ich bin zuhause. Wo seid ihr mit Aljoscha?“

Der Klang von Olgas Antwort ließ ihn ganz bleich werden.

„Warte, das meinst du nicht ernst… Olga!“ Doch sie legte auf. Nikolai wollte es kaum glauben, doch die Untersuchung der Wohnung bestätigte ihre Aussage.

Ärgerlich schlug er gegen die Wand, was seine Hand schmerzen ließ. Trotz aller Wut wusste er, dass er das Problem so nicht lösen konnte. Er würde wohl doch zur Mutter fahren müssen. Wie durch ein Wunder rief Anna Petrowsna selbst an:

„Bleib erstmal bei dir, mein Sohn. Ich bin im Sanatorium – die Kur hast du mir ja selbst organisiert. So, ich gehe jetzt, im Pool wartet das Wasser auf mich.“

Dann beendete sie das Gespräch abrupt. Nikolai begriff, dass die Lage ernst war.


Bereits bei ihrem Kennenlernen hatte Nikolai Olga mitgeteilt, dass seine Mutter ihn allein aufgezogen hatte und auch nach der Hochzeit auf finanzielle Unterstützung zählen würde.

„Aber deine Mutter arbeitet doch noch, oder? Sie ist doch erst etwas über 50.“

„Und?“, entgegnete Nikolai. „Das Gehalt ist gering, du weißt doch, wie schlecht Lehrer bezahlt werden. Die Arbeit belastet sie enorm. Ich wünschte, sie könnte weniger arbeiten.“

„Koly, wozu brauchst du dann überhaupt eine Familie, wenn du nicht von deiner Mutter loskommst?“

„Familie und Mutter sind zwei verschiedene Dinge“, erklärte Nikolai. „Es geht schließlich nur um Hilfe. Du hast doch selbst gesagt, deine Eltern unterstützen noch deine Großmutter trotz ihrer guten Rente.“

Olga akzeptierte diese Argumente.

Leider beging sie einen häufigen Fehler unerfahrener Bräute: Sie glaubte, ihren zukünftigen Ehemann erziehen und seine Lebensweise ändern zu können.

Die ersten Monate teilten Olga und Nikolai ihr Budget, und durch die finanzielle Unterstützung für Anna Petrowsna schien es Olga nicht direkt zu belasten. Sie dachte sich:

„Er hilft eben, und es belastet mich nicht.“

In der Tat reduzierte Anna Petrowsna bald ihre Arbeitszeit auf halbtags.

„Endlich kann ich mich erholen“, freute sie sich beim gemeinsamen Tee mit ihrem Sohn und der Schwiegertochter. „Ich bin so erschöpft von all den Jahren. Die jungen Leute heute sind eine echte Herausforderung.“

Ihre gute Stimmung riss auch Olga mit.


Ein Jahr nach der Hochzeit wurde Olga schwanger.

„Ist es nicht zu früh, ein Kind zu bekommen? Euch steht noch die Hypothek bevor“, bemerkte die Schwiegermutter.

„Ich bin 27. Wie lange soll ich noch warten? Ich möchte nicht erst mit 50 ein Kind haben.“

Anna Petrowsna schwieg. Olga begann ihren Mutterschutz gern und wenig später kam Aljoscha zur Welt. Die finanziellen Belastungen stiegen deutlich an, und Nikolai äußerte zunehmend seinen Unmut:

„Warum brauchst du Windeln?“, fragte er. „Kannst du die nicht selbst waschen? Du bist doch zu Hause.“

„Im 21. Jahrhundert leben wir“, erwiderte Olga. „Außerdem ist unsere Waschmaschine alt, sie muss ersetzt werden.“

„Wir haben kein Geld dafür“, murrte Nikolai.

„Aber deine Firma sollte doch eine Prämie zahlen. Wir könnten einen Kredit aufnehmen“, schlug Olga vor.

„Wir haben schon Hypotheken, wir brauchen keine zusätzlichen Kredite! Du bekommst kaum Elterngeld, du kannst nebenbei arbeiten.“

„Mit dem Baby habe ich genug zu tun“, verteidigte sich Olga.

„Es gibt viele Möglichkeiten für Mütter im Mutterschutz“, spottete Nikolai. „Andere schaffen das, warum nicht du? Aljoscha schläft und isst nur, du hast Zeit.“


Eines Tages schaute Olga auf dem Heimweg bei der Schwiegermutter vorbei. Diese hatte angerufen und gesagt, sie sehe ihren Enkel schon lange nicht. Olga wollte ihr eine Freude machen. In der Küche stand eine neue Waschmaschine.

„Wow, habt ihr sie auf Kredit gekauft?“ fragte Olga überrascht.

„Nein, mein Sohn Kolja hat sie geschenkt“, prahlte die Schwiegermutter. „Die alte war wirklich kaputt. Ich habe Glück mit meinem Sohn.“

Olga behielt ihren Ärger kaum zurück und schimpfte abends mit Nikolai:

„Du zahlst alles für deine Mutter, aber für deine Frau und deinen Sohn ist nichts da?“

„Deine Mutter ist alt, du bist jung. Du kannst noch mit der Hand waschen, aber sie nicht.“

„Zum Glück schlägt sie nicht vor, dass ich mit einem Wasserkorb zum Fluss gehe“, stichelte Olga.

Nikolai entschuldigte sich zwar später, doch die Situation besserte sich nicht. Der Konflikt verschärfte sich noch, als Anna Petrowsna beschloss, ein eigenes Landhaus zu kaufen.

„In der Stadt kann ich kaum atmen“, klagte sie gegenüber Olga und Nikolai.

Olga reagierte besorgt und befragte ihren Mann zur finanziellen Lage. Nikolai gab klein bei:

„Das gesamte Geld überweise ich meiner Mutter – du und das Kind müssen selbst für euch sorgen. Das ist auch Erbe für Aljoscha.“

Die Schwiegermutter erklärte Olga, sie habe ein erschwingliches Ferienhäuschen mit großem Garten gefunden, in dem sie für ihren Enkel Obst und Gemüse anbauen wolle. Für den Kauf des Hauses nahm Nikolai einen weiteren Kredit auf.

Der Bau des Häuschens verlangte weitere Investitionen, und die Wünsche der Mutter verschlangen nun vollständig Nikolais Gehalt. Folglich musste Olga eine Heimarbeit aufnehmen, um sich und das Kind zu ernähren. Streitereien halfen nicht weiter.


Mehrfach drohte Olga mit Scheidung. Trotz Nikolais Reue und Versprechen, sich zu bessern, blieb alles beim Alten. Olga war in Dauerstress zwischen Job und aufwachsendem Sohn. Zudem häuften sich Rückstände bei den Nebenkosten.

Olga musste sogar mehrmals ihre Eltern um Unterstützung bitten. Diese halfen zwar, stellten jedoch kritische Fragen, auf die sie keine Antwort wusste. So vergingen weitere zwei Jahre.

Olgas Geduld zerbrach endgültig, als Anna Petrowsna verkündete, dass sie nicht gärtnern wolle:

„Olga, du solltest öfter aufs Land fahren und dich um den Garten kümmern. Ich werde dort nur zur Erholung hinfahren. Mir wird das Arbeiten zu anstrengend.“

Der letzte Tropfen war, dass Nikolai seiner Mutter einen nicht gerade günstigen Kuraufenthalt bezahlte.

„Sie hat doch ein Haus gekauft, um sich zu erholen“, wetterte Olga. „Jetzt braucht sie auch noch eine Kur!“

„Sie ist nicht mehr jung und hat gesundheitliche Probleme. Die Kur tut ihr gut“, erklärte Nikolai.

„Deine Mutter kann hier schuften!“, platzte Olga heraus und erklärte ihrem Mann den Krieg.

Zunächst verweigerte sie ihm das Essen. Obwohl Nikolai nichts in den Haushaltskassen einzahlte, verlangte er abends immer sein Abendessen. Doch bald fand er zu Hause weder Lebensmittel noch Grundbedarf vor.

Diese Maßnahme war jedoch wirkungslos. Nikolai aß mittlerweile bei seiner Mutter, fand dort sogar Reinigungsmittel und Hygieneartikel, die er bei Anna Petrowsna nutzte.

Schließlich traf Olga eine drastische Entscheidung.


Sie wartete, bis ihr Mann auf eine Geschäftsreise geschickt wurde und die Schwiegermutter zur selben Zeit ins Sanatorium fuhr. Olga stellte den Antrag, die Wohnung von Nikolai und sich komplett von Strom, Gas und Wasser abzuklemmen und zog mit ihrem Sohn zu den Eltern.

Sie wusste, dass ihr Mann keinen Schlüssel zur Wohnung seiner Mutter besaß – Anna Petrowsna hatte strenge Prinzipien. Somit musste Nikolai mehr als eine Woche in fast primitiven Verhältnissen ohne Strom, Gas und Wasser ausharren. Er hatte kein Geld, um die Nebenkostenschulden zu begleichen.

Als Nikolai es endlich nicht mehr aushielt, hungrig zur Arbeit zu gehen, überwand er sich und ging reumütig zu Olga.

„Das ist noch nichts“, versuchte Olga ihn weiter zu treffen. „Ich zahle keine Hypothek mehr. Bald verlieren wir die Wohnung. Mir egal, wenn dir nichts mehr wichtig ist. Aljoscha und ich leben gut bei meinen Eltern, und du kannst zu deiner geliebten Mutter zurückkehren.“

Keine noch so gute Versicherung oder Bitte von Nikolai überzeugte Olga, Geduld zu haben.

Sie stellte klare Bedingungen: Entweder Anna Petrowsna regelt ihre Angelegenheiten mit dem Landhaus selbst oder verkauft es und erstattet Nikolai das Geld zurück, damit er alle Schulden bezahlt und sich wieder angemessen um seine Frau und seinen Sohn kümmern kann.

„Koly, ich habe nichts dagegen, meinen Eltern zu helfen, aber es gibt eine Grenze. Deine Mutter muss endlich akzeptieren, dass du jetzt eine eigene Familie hast“, erklärte Olga.

Für Nikolai war es schwer, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Olga bemerkte, wie ihr Mann mit dem „Entzug“ zu kämpfen hatte, wenn er seiner Mutter eine weitere unbegründete Geldforderung abschlagen musste.

„Mal sehen, wie lange er durchhält“, dachte Olga, während sie zusah, wie die neue Waschmaschine die Kleider ihres Sohnes wusch.

Sie gab ihm eine letzte Chance, alles zum Besseren zu wenden.

Gleichzeitig war ihr klar: Sollte er wieder übertrieben großzügig gegenüber seiner Mutter sein und die Familie vernachlässigen, wäre sie bereit zu scheiden.

Fazit: Die Geschichte zeigt, wie finanzielles Ungleichgewicht und mangelnde Kommunikation in Familienkonflikte münden können. Das Gleichgewicht zwischen Unterstützung für Eltern und der Fürsorge für die eigene Familie muss sorgsam gewahrt werden, um Zusammenhalt nicht zu gefährden.