Eine entschlossene Großmutter und ihr ungewöhnlicher Schutzschild gegen habgierige Verwandte

„Meine liebe Tante, wie geht es Ihnen heute?“ – mit einer Stimme, die süß und zugleich klebrig wirkte, schlich sich Evgenijs, ihr Cousin, Ton in das Telefon. Jedes seiner Worte war durchzogen von Scheinheiligkeit, seine Betonung exakt einstudiert, als hätte er sich vor einem Spiegel vorbereitet. Er stellte den fürsorglichen Verwandten dar, doch in Wahrheit steckte darin keine Aufrichtigkeit, sondern nur ein kaltes, berechnendes Verlangen.

Elisaveta Semjonowna saß in ihrem Sessel am Fenster, wo der Staub der Gardinen sanft vom Luftzug bewegt wurde. Behutsam schloss sie die Augen, während eine schiefe, fast unheilvolle Grimasse ihr Gesicht überzog – wie die eines Raubtiers, das bereits sieht, wie sein Opfer auf dünnem Eis wandelt.

„Ausgezeichnet, Zhenechka, einfach ausgezeichnet“, krächzte sie, heiratend die Worte ziehend, als wäre sie eine Ältere, deren Stimme dem Alter und der Zeit nachgegeben hatte. Leise wies sie eine zitternde Schwäche an, ein kaum hörbares Keuchen, als würde ihr jeder Atemzug Mühe bereiten. „Die Ärzte sagen, ich werde noch zwanzig Jahre leben, mindestens. Also kannst du dir die Bestattungskosten vorerst sparen. Und hetz das Schicksal nicht, mein Lieber. Der Tod bevorzugt die, die ihn zu beschleunigen versuchen.“

Am anderen Ende des Gesprächs lag stille Leere, nicht bloß bloßer Schweigen, sondern ein Abgrund voller Enttäuschung, wie eine Höhle gefüllt mit eisigem Dunst. Sie spürte förmlich, wie Evgenij das Telefon fester umklammerte, wie sich Zorn auf seiner Wange abzeichnete, während er innerlich eine noch klebriger-süßere, noch widerlichere Phrase vorbereitete. Doch Elisaveta Semjonowna verweigerte ihm diesen Moment. Mit einem leisen Klicken legte sie den Hörer auf – wie eine Tür, die einem Geier knallhart ins Gesicht geschlagen wird.

Sie war achtundsiebzig Jahre alt. Fast achtzig, tatsächlich. Dennoch fühlte sie sich nicht als Greisin. Nein, sie sah sich als Veteranin eines einsamen Kriegs, als unbesiegte Kämpferin in stillen Entscheidungen, getroffen dort, wo niemand stand, um ihr beizustehen. Ihr ganzes Leben balancierte sie auf einem scharfen Messer, das sie selbst geschliffen hatte. Ihr eiserner Griff, scharfer Verstand und unbeugsamer Wille – all das investierte sie in den Aufbau ihres kleinen, aber rentablen Imperiums. Begonnen bei einem kleinen Laden in einer Provinzstadt, hatte sie schließlich ein Netzwerk exklusiver Geschäfte, Immobilien im Zentrum und ein Konto im Ausland, von dem niemand wusste.

Der Preis dafür war hoch – sehr hoch.

Ihr Mann verließ sie in ihren Vierzigern, hatte der Belastung und ihrem kompromisslosen Wesen nicht standgehalten. Er nannte sie eine Maschine, kein Mensch mehr. Er zog zu einer Frau, die ihm Borschtsch kochte und ihn nicht zwang, Weltmeister zu werden. Sie hatten keine eigenen Kinder. Vielleicht wollte sie nie, denn Kinder bedeuteten Ablenkung – und Ablenkung war ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnte. Freundschaften? Ja, sie hatte einst welche. Doch diese vertrockneten wie Herbstblätter, sobald sie von der liebenden Liza zur „Madam Semjonowna“ wurde – zur gnadenlos kalten Frau, die keiner kannte, wie sie nachts, aus Zorn und Einsamkeit, weinte und ihre Fäuste ballte.

Jetzt lebte sie in einem riesigen, hallenden Haus, dessen jeder Schritt wie in einer Kathedrale widerhallte. Ein leerer Ort – so leer wie ihr Herz. Nur die Haushälterin Marina kam regelmäßig, und jene… Verwandten. Diese Schatten, die mit Broten und lächelnden Gesichtern kamen, hinter denen keine echten Gefühle waren.

Vor zwei Jahren unternahm sie einen verzweifelten Versuch, „eine gewöhnliche Großmutter“ zu sein. Sie rollte ihren Rollstuhl in einen Stadtpark, zu einer Bank, auf der andere ältere Damen saßen, die sich über Renten, vergessene Kinder und stumme Enkel beklagten. Doch schnell wurde ihr klar, dass das eine bloße Farce war. Ein Maskenspiel, Schichten von Heuchelei, übergeschichtet wie Schmutz.

„Und warum klagst du, Petrowna, über deinen Sohn?“ schnitt sie mit einer Stimme zu, die wie ein Peitschenhieb einschlug. „Ich erinnere mich, wie du ihn für fünf Tage in ein Internat abschob, um mit deinem Liebhaber Urlaub zu machen. Und du, Fjodorowna, was erzählst du über deine Schwiegertochter? Du prahltest doch, sie aus der Wohnung gedrängt zu haben, damit sie allein lebt.“

Die älteren Frauen verstummten, dann schrien sie auf, zischten wie Schlangen, entblößten ihre Zähne. Doch Elisaveta Semjonowna drehte sich im Rollstuhl um und fuhr davon, ohne sich umzuschauen. An diesem Moment erkannte sie klar: Ihre Welt war nicht der Park, nicht die Bänke, nicht der Tee mit Gebäck. Ihre Welt war ein goldenes Gefängnis, in dem sie ein Vogel war, der fliegen gelernt, aber vergessen hatte zu singen.

Und dann kamen Evgenij und seine Frau Svetlana. Zuckrig süß wie mit Schokolade übergossene Marshmallows, mit einem Lächeln, das sie zum Ausspülen des Mundes brachte. Sie erschienen immer häufiger, brachten billige Kuchen, die sie liegen ließ, und redeten von Liebe, die nach Schimmel roch. Sie durchschaut sie. Sie warteten nicht einfach auf ihren Tod, sie sehnten sich danach, malten sich aus, wie sie das Testament öffnen, Wohnungen, Konten, Schmuck aufteilen würden. Mit jedem Tag wuchs ihre Gereiztheit. Sie bemerkte den seltsamen Blick Svetlanas, als würde sie abzählen, wie viele Tabletten für eine beschleunigte Abreise ausreichten.

Nach dem letzten Besuch, als der Duft von Svetlanas billigen Parfüms noch lange in der Wohnung hing – süß und aufdringlich – verspürte Elisaveta Semjonowna eine eisige Kälte in ihrer Brust. Es war nicht Erschöpfung oder Depression, sondern eine scharfe, messerscharfe Angst. Früher war sie ein fernes Hintergrundrauschen, wie ein summender Kühlschrank. Nun erklang sie wie eine schrille Sirene, laut und unüberhörbar.

Sie saß am Fenster, blickte auf den verwilderten Garten, wo Rosen bereits von Brennnesseln überwuchert waren. Zum ersten Mal seit Jahren stiegen ihr Tränen in die Augen. Kalte, zornige Tränen. Nicht aus Furcht, sondern aus Wut – weil ihr Leben, das sie wie eine Festung errichtet hatte, von ein paar gierigen Nichts zerstört werden konnte, die nicht einmal gut schauspielern konnten.

Sie wollte nicht das Opfer sein. In keiner Form. Sie bat nicht um Mitleid. Sie verlangte nicht nach Mitgefühl. Sie wollte überleben – und sie wollte ihren letzten Kampf gewinnen. Nach ihren Regeln.

Dann kam ihr blitzschnell der Gedanke – verrückt, unlogisch, aber genial: Nicht verteidigen, sondern angreifen. Sie würden auf ihre Gebrechlichkeit, auf Altersdemenz und zitternde Hände warten. Sie sollten glauben, sie sei dem Tod nahe. Doch sie würde beweisen: das Spiel ist noch lange nicht vorbei – und ihr Zug unerwartet kommen.

Zitternd griff sie nach ihrem alten, abgenutzten Notizbuch. Die Seiten waren vergilbt, die Tinte verblasst, aber eine Nummer war dreifach unterstrichen: Josif. Ihr ehemaliger Partner, ein Mann, der aus der Schattenwelt auftauchte, als alle anderen verschwunden waren. Er hatte Verbindungen und eine offene Rechnung – eine Schuld, die er nie zurückgezahlt hatte.

Sie wählte die Nummer. Zwei Klingeltöne. Drei. „Josif, hallo, hier spricht Elisaveta Semjonowna“, sagte ihre Stimme, hart wie Stahl. „Du hattest doch mal gesagt, ich könne dich um jeden Gefallen bitten. Nun, ich habe einen – allerdings keinen gewöhnlichen. Ich brauche jemanden. Nicht als Leibwächter, nicht als Beschützer, sondern als Symbol. Jemanden, den sie fürchten. Einen, der hier lebt, mein Schatten wird und sie für immer vertreibt.“

Als Marina, die Haushälterin, vom Einkaufen zurückkehrte und von Elisavetas Plan erfuhr, geriet sie fast in Ohnmacht. „Elisaveta Semjonowna, Sie sind verrückt! Einen Ex-Sträfling ins Haus zu holen? Der bringt uns beide um, ohne mit der Wimper zu zucken! Sie wissen nicht einmal, was für ein Mensch das ist!“

„Aber er ist ehrlich“, antwortete Elisaveta kalt. „Und diese Leute hier? Sie lächeln, küssen die Hände, und in den Augen steht nur der Preis meiner Existenz. Was sie bekommen, wenn ich verschwinde.“

„Aber er saß im Gefängnis!“

„Und ich? Bin ich frei?“ Ihre Bitterkeit klang wie ein bitteres Lachen. „Ich sitze im Käfig seit Jahrzehnten – nur sind meine Gitter aus Gold.“

Innerhalb von zwei Tagen läutete es an der Tür. Marina öffnete und blieb wie angewurzelt stehen. Vor ihr stand ein Mann, Anfang vierzig, mit kurzem Soldatenschnitt. Eine einfache, saubere Jacke, ein starrer, misstrauischer Blick, als sehe er in jedem einen Feind. Seine Schultern waren angespannt, wie die eines Boxers vor dem Kampf. Er lächelte nicht, versuchte nicht zu gefallen – er wartete einfach, stumm.

„Komm herein, Alexej, ich habe auf dich gewartet“, erklang eine kraftvolle, selbstbewusste Stimme aus dem Wohnzimmer.

Elisaveta Semjonowna musterte ihn, nicht als Straftäter, sondern als Mensch, erkannte nicht die Gefahr, sondern eine Gelegenheit.

„Marina, mach uns bitte Tee und dann stich uns nicht mehr ins Wort.“

Nachdem die Tür hinter ihnen geschlossen war, sah sie ihm in die Augen. „Josif hat dir wohl erzählt, aber ich möchte, dass du es von mir hörst: Ich brauche keine Pflegerin, sondern jemanden, der Angst verbreitet. Jemanden, der hier wohnt, im zweiten Stock schläft, mir folgt und meine Verwandten so ansieht, als würde er ihnen den Kopf abreißen, wenn sie es wagen.“

Alexej nickte. Seine Stimme klang rau und tief wie aus einer Mine: „Ja, ich bin erst vor Kurzem raus. Hab meine Frau verteidigt, einen Mann geschubst, er ist gefallen und tot. Das Gericht meinte: ‚Man sollte die Hände bei sich behalten.‘ Und meine Frau? Hat ein Jahr später den Mann geheiratet, der gefahren ist und alles gesehen hat. Also habe ich nichts zu verlieren.“

In seinen Augen stand Schmerz – tief und alt, keine Wut, keine Rachsucht, sondern Enttäuschung über Verrat und Ungerechtigkeit.

Elisaveta nickte. Vor ihr stand kein Monster, sondern ein gebrochener Mensch mit Ehre – eine Seltenheit.

„Du bist eingestellt. Dein Zimmer ist oben. Dein Gehalt großzügig. Wichtig ist, du bist du: düster, schweigsam, gefährlich. Das wird dir kaum schwerfallen.“

Die ersten Tage vergingen ruhig. Alexej sprach wenig, stellte keine Fragen. Er war einfach da – wie ein Schatten, eine Mauer, eine geladene Waffe, die nicht abfeuerte.

Marina, die anfangs bei jedem seiner Schritte zusammenzuckte, begann ihre Einstellung zu ändern: Erst vorsichtig, dann neugierig, schließlich mit mütterlicher Wärme. Sie bemerkte, wie er still und sparsam aß, fast, als schäme er sich um mehr als einen Bissen zu bitten. Er war dünn, und die Jahre im Gefängnis hatten ihm nicht nur die Freiheit, sondern auch Kraft, Fleisch und Glanz des Lebens geraubt. Seine Rippen traten hervor, seine Bewegungen waren zurückhaltend, als fürchtete er unfreiwillig jemanden zu verletzen.

  • In seinen Augen lag keine Feindseligkeit.
  • Nur Müdigkeit und eine tiefe Sehnsucht.
  • Und Marina spürte, wie ihre Fürsorge erwachte.

Sie begann ihm zusätzliche Stücke Fleisch zuzuschieben, Honig in den Tee zu tun, frisches Brot und Marmelade in der Küche zu lassen. Manchmal miaute sie leise vor sich hin, wenn er in sein Zimmer ging: „Wie ein verirrter Welpe, der niemand liebt. Niemand streichelt ihn, und doch lebt er und schweigt.“

Was sie nicht wusste: Sie half nicht nur – sondern gab einem Menschen langsam und behutsam seine Würde zurück.

Eines Morgens, als die Sonne nach langer Zeit zaghaft durch die Fenster prallte und den staubigen Boden in goldenes Licht tauchte, trat Alexej neben Elisaveta Semjonownas Sessel. Er stand still, fast wie ein Schatten, doch in seinen Augen funkelte etwas anderes: keine Furcht, kein Gehorsam – sondern Entschlossenheit.

„Elisaveta Semjonowna, draußen ist es warm. Wollen wir im Garten spazieren?“

Sie zuckte zusammen. Garten? Jahrelang hatte sie ihn gemieden, hielt ihn für nutzlos. Alles war überwuchert, alles verdorrt. So wie ihr Leben, wie sie selbst.

Doch in seiner Stimme lag kein Drängen, sondern ein ehrliches Angebot, und darin lag seine Kraft.

Sie sah ihn an und nickte. Sanft hob er sie hoch, als sei sie ein zerbrechlicher Vogel, setzte sie sorgfältig in den Rollstuhl und rollte ins Freie. Die Luft roch frisch nach feuchter Erde und altem Laub, und die Sonne küsste ihr Gesicht.

Der Garten war verfallen. Unkraut hatte alles überwuchert; die Rosen waren vertrocknet und schwarz wie Knochen; Pfingstrosen hingen traurig wie Tränen. Kein bloßes Verfallen, sondern ein Schrei voller Schmerz, ein Spiegelbild der Seele ihrer Besitzerin, die sie selbst begraben hatte.

Doch plötzlich erwachte etwas: Nicht Trauer oder Mitleid, sondern ein Feuer – das alte Feuer einer Geschäftsfrau, die einst aus dem Nichts ein Imperium gründete. Ihre Augen, die lang getrübt waren, wurden wieder klar und frostig wie das Eis im Frühling.

„Alexej!“ befahl sie mit unerwarteter Kraft. „Siehst du die Rosen? Hol die Gartenschere und Handschuhe. Wir schneiden alles Abgestorbene ab. Und dort, die Pfingstrosen – die müssen dringend gebunden werden, sonst brechen sie ab!“

Ohne Widerspruch holte Alexej das Werkzeug und begann zu arbeiten. Unter ihrer Anleitung und ihren Anweisungen bebte etwas Warmes erneut in ihrem Herzen – etwas, das sie lange vergessen hatte: Leben.

Nach einigen Wochen bemerkte sie plötzlich, dass ihre Beine weniger zitterten, ihre Hände kräftiger waren und das Atmen leichter fiel. Sie fragte Marina: „Geht es mir besser?“

Marina lächelte verschmitzt, als kenne sie ein großes Geheimnis. „Das alles ist Alexej zu verdanken. Er betrügt Sie wie ein kleines Kind und lässt Ihnen heimlich eine Löffel voller Kraft zukommen, während er Ihnen von seinen Gartenabenteuern erzählt – ein Vater, der seinen Sohn nährt.“

Elisaveta Semjonowna erstarrte. Er sorgte für sie – die alte, einsame, stolze Frau, die niemand liebte. Behutsam, still und ohne große Worte.

Am Abend, als Alexej in sein Zimmer ging, saß sie im Sessel und sah auf die Schatten der Bäume und spürte plötzlich einen Impuls. Keine bloße Idee, kein Wunsch, sondern ein innerlicher Befehl.

Mit festen Händen umklammerte sie die Armlehnen, presste die Zähne zusammen und sammelte all ihre Kraft – wie vor einem Sprung ins Ungewisse. Und dann stand sie auf.

Die Beine zitterten, die Gelenke schmerzten, doch sie hielten. Schritt um Schritt bewegte sie sich vorwärts. Sie ging – aus eigener Kraft, ohne Stütze, ohne Rollstuhl. Wie ein lebendiger Mensch.

Ermüdet, doch glücklich bis zur Tränen, ließ sie sich schließlich wieder nieder. Sie konnte wieder gehen.

Der Garten blühte langsam neu. Jeden Tag errang sie kleine Siege. Doch Alexej, obwohl stark, besaß kein Fachwissen über Gartenarbeit. Er wusste nicht, wie Tulpen verpflanzt werden, wie man Büsche formt oder Farben harmonisch kombiniert. Eines Tages schlug er zaghaft vor: „Elisaveta Semjonowna, ich habe im Gartencenter eine Frau kennengelernt – Kseniya. Sie ist erfahren und kennt sich mit Pflanzen bestens aus. Vielleicht holen wir sie nur für ein paar Tage, damit sie hilft?“

Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, nicht einfach nur freundlich, sondern voller Verständnis. Sie erkannte in seinen Augen den unerkannten Wunsch nach Wärme, nach Licht, nach einer Frau.

„Gern, Alexej, bring deine Kseniya vorbei. Gute Idee.“

Kseniya kam und brachte den Frühling mit – leicht, frisch und mit strahlenden Blicken und einem hellen Lachen, wie das einer kleinen Vogelprinzessin. Sie flatterte durch den Garten, pflanzte Blumen und schuf Beete, in denen jede Farbe am richtigen Platz war. Der Garten erstrahlte in neuen Tönen und schien selbst wieder lächeln zu wollen.

Elisaveta Semjonowna saß auf der Veranda, beobachtete die beiden: Alexej, der ihr schüchtern die Schaufel reichte, Kseniya, deren Lachen ihn zum Lächeln brachte, zum ersten Mal seit langer Zeit. Wie ihre Blicke sich trafen und sie sofort verlegene Augen senkten.

Ein warmes Feuer steckte in ihrem Herzen – die Rolle der weise vermittelnden Großmutter. Nicht nur eine helfende Hand, sondern die Quelle neuen Lebens. Nach Jahren voller Tod und Einsamkeit schuf sie erneut etwas Echtes, etwas Gutes.

Eines Tages verkündete sie: „Alexej, wir gehen ins Einkaufszentrum. Schluss mit diesen Lumpen. Du bist nicht mehr nur Wächter, sondern Verwalter des Anwesens. Du musst entsprechend aussehen.“

Er wehrte ab, schämte sich, doch es half nichts. Sie zwang ihn, etliche Anzüge, Hemden und Krawatten anzuprobieren. Sie wählte streng und geschmackvoll aus. Als er schließlich in einem dunklen Anzug, weißem Hemd und Krawatte den Umkleideraum verließ, wirkte er nicht mehr wie ein ehemaliger Häftling.

Er sah aus wie ein Gentleman, ein Mann mit Recht auf Glück.

Am Abend speisten sie zum ersten Mal gemeinsam auf der erneuerten Veranda, umringt von Blumen und dem Duft von Jasmin und Hoffnung. Marina hatte einen festlichen Tisch gedeckt, Kerzen brannten, in den Gläsern funkelte Wein, und ein Gefühl wahrer Wärme und Frieden breitete sich aus.

Elisaveta Semjonowna sah sie an – den schüchternen Alexej und die strahlende Kseniya – und fühlte den inneren Frieden.

„Alexej, es ist spät“, sagte sie zum Ende des Abends. „Bring bitte unsere Gäste nach Hause. Es ist für eine junge Frau nicht schicklich, allein im Dunkeln zu gehen.“

Das war kein Rat, sondern ein Befehl zum Glück.

Von da an kam Kseniya öfter zu Besuch, nicht nur beruflich. Sie brachte Kuchen, Blumen und Lachen mit. Alexej und sie – beide schüchtern und von der Vergangenheit verletzt – zögerten, den ersten Schritt zu machen, doch sie teilten mit Elisaveta ihre Ängste, Träume und Zweifel.

Für sie wurde Elisaveta Semjonowna mehr als nur die Hausherrin. Sie wurde eine weise Mutter, Mentorin und Hüterin ihrer Geheimnisse. Sie hörte zu, lächelte und führte sie sanft zueinander.

Ein Monat vor ihrem 80. Geburtstag – ein Datum, das nur sie und Marina kannten – entschied Elisaveta Semjonowna, dass dies kein Fest werden würde. Es sollte ein Schauspiel, der letzte Akt und der unerwartete Schlag gegen ihre habgierigen Verwandten sein.

Sie rief Evgenij an, mit schwacher und zitternder Stimme, wie die einer Sterbenden: „Komm, Zhenechka… Mir geht es schlecht. Ich möchte über die Zukunft sprechen.“

Sie kamen, mit falschem Mitgefühl und gierigen Augen.

„Wird sie heute im Sarg abtransportiert oder gleich auf dem Bett zur Mumie?“ flüsterte Evgenij zu seiner Frau.

„Wichtig ist das Testament. Wir müssen prüfen, ob sie etwas versteckt hat“, antwortete Svetlana.

Sie wussten nicht, dass jedes ihrer Worte aufgezeichnet wurde. Dass Elisaveta Semjonowna alles hörte.

Im Wohnzimmer sahen sie Alexej und Kseniya, blickten sie abschätzig an.

„Und was ist das für ein Dienstmädchen?“ schnippte Svetlana.

In diesem Moment öffneten sich die Türen weit – und nicht eine Greisin betrat den Raum, sondern eine Königin. Elegant gekleidet in ein dunkelblaues Kleid, eine Perlenkette um den Hals, mit einer Frisur wie aus einem vergangenen Jahrhundert.

Sie ging selbstbewusst, nur leicht auf die helfende Hand von Alexej gestützt, der in seinem neuen Anzug wie der Gentleman eines Romanhelden wirkte.

Die Münder von Evgenij und Svetlana fielen herunter.

„Guten Tag, meine Lieben“, sang sie. „Ich freue mich, dass ihr zu meinem Geburtstag gekommen seid.“

Dann wandte sie sich an Alexej. „Lyoša, worauf wartest du noch? Gibt es einen besseren Moment?“

Er stand auf, zog eine Schachtel hervor, kniete nieder und sprach: „Willst du mich heiraten?“

Kseniya flüsterte unter Tränen „Ja“.

„Und von mir, meine Kinder, gibt es ein Hochzeitsgeschenk“, verkündete Elisaveta Semjonowna feierlich, „Dieses Haus schenke ich euch. Lebt darin, bringt Kinder zur Welt, seid glücklich. Der Notar kümmert sich morgen darum.“

Schock. Knockout. Spielende.

Svetlana zischte: „Man muss sie vergiften, Zhenechka! Sofort!“

Doch Alexej, hinter ihnen stehend, beugte sich vor und flüsterte: „Ich saß schon drin. Wenn Elisaveta Semjonowna etwas passiert, komme ich ohne Reue zurück. Aber zuerst schicke ich euch dahin, wo es kein Zurück gibt.“

Sie gingen. Wie geschlagene Hunde. Für immer.

Drei Monate später, im wiederbelebten Garten voller Blumen und Lachen, fand die Hochzeit von Alexej und Kseniya statt. Strahlend, glücklich, lebendig.

Elisaveta Semjonowna saß an der Ehrenstelle, im Zentrum des Festes. Das Lachen in ihren Augen zeugte von einer Frau, die nicht länger die einsame Greisin in einem großen, aber leeren goldenen Käfig war, sondern die Herrin eines Hauses voller Liebe – die Mutter und Großmutter jener neuen, gefundenen Familie.

Ihre Lebensrolle hatte sich gewandelt: Für Kseniya wurde sie zur weisen Mentorin und fast zur Mutter, für Alexej zur vertrautesten Person, die ihm wieder Glaube und Menschlichkeit schenkte. Die früher schroffe Geschäftsfrau war verschwunden, zurückgeblieben war eine warmherzige, liebevolle Großmutter, umgeben von Fürsorge, Aufmerksamkeit und wahrer Wärme.

Elisaveta Semjonowna erlebte den glücklichen Tag, an dem Kseniya einen Sohn zur Welt brachte – einen kleinen, schrumpeligen Jungen, ihren «geistigen Enkel» –, und konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. Doch es waren keine Tränen des Schmerzes oder der Einsamkeit, sondern stille Freudentränen.

Die Frau, die ihr Leben lang auf Kalkulation und kalte Logik setzte, fand am Ende, was keine Millionen dieser Welt kaufen können: eine wirklich lebendige Familie. Das war ihr größter, aufrichtigster Triumph.