Alena stand am Herd und rührte sanft die Suppe, als plötzlich Sascha im Türrahmen erschien. Seine Augen drückten eine Schwere aus, als hätte er gerade ein Urteil vernommen.
Nach kurzem Kratzen am Nacken und unsicheren Bewegungen sagte er leise:
– Mama plant heute, zu Besuch zu kommen.
Alena hielt inne, drehte den Herd ab und wandte sich ihm zu.
– Wirklich? Auf ein Tässchen Tee oder eher zu einer schonungslosen Inspektion der Schränke? – ihre Stimme war von beißender Ironie durchtränkt.
Sascha lächelte unbeholfen.
– Einfach nur reden… – doch man spürte, dass er etwas verschwieg.
Alena verengte die Augen.
– Wenn du dich so verhältst, Sascha, bedeutet das eines von zwei Dingen: Entweder hast du etwas kaputtgemacht, oder deine Mutter hat etwas für uns geplant. Was ist es diesmal?
– Anastasia hat keine Unterkunft… Das Wohnheim ist kalt, dünne Wände, die Mitbewohnerin raucht… Mama denkt, wir könnten… na ja, vorübergehend…
– „Vorübergehend“ – wie lange soll das sein? – Alena verschränkte die Arme. – Eine Woche oder so lange, bis ich vergesse, wie meine Nachbarn aussehen?
Sascha kratzte sich an der Wange.
– Na ja… bis sie das Studium beendet…
Alena prustete vor Lachen.
– Mir scheint, für deine Mutter bedeutet dieses „vorübergehend“ Ewigkeit. Und zur Erinnerung: Das ist meine Wohnung. Von mir gekauft, noch bevor ich von deiner Mutter wusste.
Er versuchte, sie zu umarmen, doch sie wich ihm spielerisch einen Schritt zurück.
– Gut, sie soll kommen. Aber wenn ich auch nur einen einzigen Koffer von Anastasia im Flur sehe, wird das kein gastfreundlicher Aufenthalt, sondern eine Not-Evakuierung.
Ein paar Stunden später klingelte es an der Gegensprechanlage. Sascha wollte öffnen, aber Alena war schneller. An der Tür stand Nina Petrowna – in einer Daunenjacke, mit einem Paket und einem Koffer. Hinter ihr verbarg sich schüchtern Anastasia.
– Guten Tag, Kinder! – verkündete die Schwiegermutter pathetisch und trug das Gepäck in die Wohnung. – Wir sind da!
Alena lächelte kühl.
– Oh, wie unerwartet. Mit Übernachtung?
– Natürlich! – entgegnete Nina Petrowna, zog die Jacke aus und steuerte gleich ins Wohnzimmer. – Anastasia bleibt bei euch, hier ist es warm und sicher, und Sascha braucht die Unterstützung seiner Schwester.
Alena lehnte sich an den Türrahmen.
– „Wir haben beschlossen“? Ich erinnere mich nicht, dass ich bei solchen Beschlüssen an Amnesie leide.
Nina Petrowna ignorierte die Wohnungsbesitzerin und begann, die Sachen im Zimmer auszubreiten.
– Die Küche ist geräumig, Anastasia kocht gern… – sagte sie und deutete auf die junge Frau, die am liebsten spurlos verschwinden würde.
– Geräumig, ja, aber nicht kostenlos, – erwiderte Alena. – Wenn Anastasia gern kocht, wunderbar, solange sie vorsichtig mit jemandes Herd umgeht.
Sascha sah aus, als hielte er eine Bombe in der Hand.
– Mama, lass uns reden… – begann er leise.
– Worüber reden? – unterbrach ihn Nina Petrowna lautstark. – Das ist deine Schwester! Du bist verheiratet, und ich bin eine Fremde? Zu meiner Zeit…
Alena hob die Hand.
– Zu eurer Zeit habt ihr geschuftet wie Pferde, aber dahin kehren wir nicht zurück. Die Wohnung gehört mir. Niemand zieht hier ohne meine Zustimmung ein.
– Du bist egoistisch, – zischte Nina Petrowna. – Du hast Angst, dass Anastasia dir etwas wegnimmt. Es könnte doch familiär sein…
– „Familiär“ bedeutet, dass jeder seine Koffer schleppt, ohne zu fragen? – erwiderte Alena scharf. – Nein danke, bei uns gelten andere Regeln.
Anastasia stellte leise den Koffer ab und flüsterte:
– Mama, vielleicht gehe ich lieber zurück ins Wohnheim…
Doch Nina Petrowna übertönte sie:
– Du gehst nirgendwohin! Sascha, erklär deiner Frau, dass sie übertreibt.
Sascha holte tief Luft.
– Mama, Alena hat recht. Das ist ihre Wohnung. Wir können nicht einfach so…
Nina Petrowna erstarrte, als hätte sie ein Stromschlag getroffen.
– Also alles nur wegen dieser… – flüsterte sie und wischte sich die Augen, ohne eine Träne zu vergießen.
In Alenas Innerem mischten sich Erleichterung und Unruhe.
Nach einer halben Stunde verschwanden Koffer und Nina Petrowna samt Anastasia hinter der Tür.
– Merk dir das, Sascha – warf die Schwiegermutter hin – du wirst es noch bereuen.
Alena lehnte sich gegen die Tür:
– Na ja, ein romantischer Abend ist uns gelungen, – verschränkte die Arme.
– Eher ein Familienessen… ohne Essen und mit Drohungen, – seufzte Sascha.
Alena lächelte boshaft:
– Dafür ohne Dessert.
Eine Woche herrschte Ruhe.
Keine unerwarteten Besuche, keine verdächtigen Anrufe.
Sascha konnte sich sogar leisten, den Fernseher lauter zu stellen.
Doch Alena wusste: das war nur ein vorübergehendes Schweigen. Der Blick von Nina Petrowna beim Abschied versprach Konfrontation, Pläne und Forderungen.
Am Samstagmorgen um sieben klingelte Sachas Telefon. Benommen griff er zum Hörer und setzte sich nach dem Gespräch aufs Bett, mit einem Blick voller Schuld und Panik auf Alena.
– Was? Jetzt? – warf er ihr mit widersprüchlichen Emotionen zu.
Schwerfällig erhob er sich, hielt das Telefon wie eine Bombe, die Augen wanderten zwischen dem Apparat und Alena, suchten Rettung.
– Sie… wollen gerade jetzt kommen, – flüsterte er leise, doch das reichte, damit Alena die Ernsthaftigkeit begriff.
– Jetzt? – wiederholte sie mit verschränkten Armen. – Und wir sitzen hier beim Frühstück, Kaffee und Ruhe. Offenbar passt das jemandem nicht.
Sascha senkte den Kopf.
– Mama sagt, dass Anastasia wirklich keinen Platz zum Wohnen hat… Sie hat versprochen, nur eine Stunde zu bleiben. Einfach vorbeischauen und… sehen.
Alena lachte auf.
– Eine Stunde, sagst du? Nach den letzten Besuchen zieht sich diese „Zeit“ sicher auf 24, vielleicht 48 Stunden.
– Vielleicht rede ich mit ihr? – versuchte er, die Lage zu entspannen.
– Wenn du redest, hörst du nur Argumente, und dann landen die Koffer im Flur, – entgegnete Alena trocken. – Sascha, genug Diplomatie. Wir entscheiden hier und jetzt.
In diesem Moment klingelte es erneut an der Tür. Alena seufzte, ging aber nicht hin – Sascha rannte zuerst, öffnete mit einem kläglichen Gesichtsausdruck.
Vor der Tür stand Nina Petrowna, diesmal ohne Jacke, mit zufriedenen Lächeln und einem Koffer in der Hand. Anastasia hielt schweigend die Mutter an der Hand.
– Guten Morgen! – rief die Schwiegermutter. – Ich hoffe, ihr habt nichts gegen einen Besuch?
Alena trat einen Schritt vor, die Hände in die Hüften gestemmt.
– Guten Morgen… – antwortete sie ruhig. – Natürlich, kommt auf euren „stündlichen“ Abstecher. Aber denkt daran: das ist meine Wohnung. Hier gelten meine Regeln.
Nina Petrowna war nicht überrascht, trat sofort ein und ließ den Koffer auf dem Boden stehen. Anastasia setzte sich auf das Sofa, fast eins mit dem grauen Polster.
– Ich wollte mich nur vergewissern, dass Anastasia einen Ort zum Lernen und Ausruhen hat, – erklärte die Schwiegermutter, als ob sie eine Inspektion rechtfertigen müsste.
– Verstehe, – Alena verbarg ihre Verärgerung nicht. – Aber denkt daran: „Ort“ bedeutet nicht „freier Zugang zu meiner Wohnung ohne meine Zustimmung“.
Sascha versuchte vorsichtig zu vermitteln.
– Mama, vielleicht reden wir einfach darüber, wie wir Anastasia helfen können, – begann er.
– Reden? – Nina Petrowna hob die Braue. – Man kann reden, wenn man Kindern die richtigen Familienwerte beibringen will. Aber hier ist es anders.
Alena trat näher.
– Anders heißt, dass ihr die Grenzen meines Hauses überschreitet. Wenn Anastasia bleiben will, ist das ihre Entscheidung, nicht eure Diktatur.
Ein Moment der Stille. Anastasia starrte auf den Boden. Nina Petrowna wechselte genervt Blicke zwischen Alena und Sascha, offensichtlich gekränkt über den Verlust ihrer Autorität.
– Gut, – seufzte sie schließlich tief. – Vielleicht übertreibe ich… Aber es ist doch für die Familie!
– Familie bedeutet Respekt voreinander, – Alenas Stimme war scharf. – Und vorerst heißt das: die Wohnung gehört mir.
Sascha trat leise zu seiner Mutter.
– Mama, ich stimme Alena zu. Wir können nicht einfach so hereinkommen und über jemand anderes Zuhause bestimmen.
Nina Petrowna blinzelte. Ihr Blick verwandelte sich von Wut zu Enttäuschung.
– Also ignoriert ihr mich… – zischte sie, trat zurück zur Tür. – Gut, das merke ich mir. Aber wir sehen uns wieder.
Den Koffer ergriff sie, Anastasia folgte ihr vorsichtig. Sascha sah ihnen nach, während Alena mit einer halbvollen Kaffeetasse in der Hand zurückblieb.
– Na dann, – sagte sie, sich an die Wand lehnend, – die Romanze geht weiter. Nur ohne unangemeldete Gäste.
Sascha setzte sich neben sie, den Kopf gesenkt.
– Ich hoffe, das ist nicht das Ende…
– Leider, – lächelte Alena. – Das ist erst der Anfang.
Tief im Inneren der Wohnung spürte Alena, dass der Kampf um den persönlichen Raum gerade erst an Fahrt aufnahm.
Eine Woche war seit dem letzten Besuch vergangen.
Wieder herrschte relative Ruhe.
Doch das Gefühl der Gelassenheit war trügerisch.
Jeden Morgen überprüfte sie die Schlösser. Jeder Klingelton ließ ihr Herz schneller schlagen.
Sascha hingegen schien sich zu entspannen. Er drehte den Fernseher lauter, öffnete Fenster und vergaß die misstrauischen Blicke seiner Frau. Doch Alena erkannte die hinter dem Lächeln verborgene Sorge.
Am Abend klopfte es leise an der Tür. Sascha zögerte, Alena ging langsam hin. Vor der Tür stand Nina Petrowna – mit einem Paket „für Anastasia“ und einem künstlichen Lächeln im Gesicht.
– Guten Abend! – sagte sie mit unschuldiger Stimme. – Ich dachte, ich schaue nur kurz vorbei, um zu sehen, wie sich Anastasia schlägt.
Alena atmete tief durch und antwortete, ohne die Tür zu öffnen:
– Kurz ja, aber ohne Koffer. Das ist meine Komfortzone.
– Oh, natürlich… – Nina Pietrowna trat einen Schritt zurück, doch ihr Blick war scharf wie eine Klinge. – Ich möchte nur sicherstellen, dass Anastasia alles hat, was sie braucht.
Sascha versuchte, die Stimmung zu beruhigen:
– Mama, vielleicht reden wir lieber drinnen und nicht auf der Türschwelle?
– Nein, Sascha, – antwortete die Schwiegermutter und schüttelte den Kopf. – Ich sehe, ich muss entschieden handeln.
Alena lachte spöttisch:
– Eure Vorstellung von Selbstständigkeit bedeutet, in fremde Wohnungen einzudringen?
Nina Pietrowna lächelte nur, doch ihre Augen funkelten listig.
– Wir wollen nur das Beste für Anastasia und die ganze Familie.
Alena trat zur Tür, stützte die Hand an den Türrahmen:
– Familie bedeutet gegenseitigen Respekt. Für jetzt heißt das: meine Wohnung, meine Entscheidungen. Wenn Anastasia hier wohnen will, ist das ihre Wahl, nicht eure Verpflichtung.
Wieder folgte eine stille Pause, als hätten sich alle Worte in der Luft aufgelöst. Nina Pietrowna gab scheinbar nach, doch Alena wusste: dies war nur ein kurzer Frieden vor dem nächsten Angriff.
– Gut, – sagte sie langsam, trat von der Tür zurück. – Wir gehen, aber denkt daran, dass ich bald mit neuen Argumenten zurückkomme.
Als die Tür ins Schloss fiel, lehnte sich Alena an die Wand und schloss die Augen:
– Jetzt geht es richtig los.
Sascha setzte sich neben sie und seufzte schwer:
– Das ist wohl erst das Aufwärmen. Mama plant schon ihre Taktik.
Alena lächelte angespannt:
– Dann müssen wir einen Schritt vorausdenken. Sascha, du stehst vor einer Wahl: Familie nach Regeln oder fremde Spiele.
Er senkte den Blick, sich der Ernsthaftigkeit bewusst. Alena wusste, dass weitere Besuche, Intrigen und listige Versuche der Schwiegermutter, in ihr Leben einzugreifen, bevorstanden.
Als die Nacht über der Stadt hereinbrach, stand Alena am Fenster und beobachtete die flackernden Lichter. Sie schmiedete schon Pläne: kein Aufdrängen, kein Druck. Nur kühle, ruhige Verteidigung dessen, was ihr gehörte.
Eine weitere ruhige Woche verstrich. Diesmal war die Stille verdächtig tief: keine Besuche, keine Anrufe, selbst Anastasia schien aus dem Blickfeld verschwunden. Sascha begann zu glauben, der Sturm sei vorüber, doch Alena spürte etwas anderes: die Ruhe vor der großen Welle.
Am Samstagmorgen fanden sie einen Brief im Briefkasten. Darauf sorgfältig geschrieben: „An die Familie Iwanow“.
Alena runzelte die Stirn.
– Interessant, seit wann benutzt deine Mutter die Post und nicht die Tür?
Sascha öffnete den Umschlag vorsichtig. Darin befanden sich ein Brief und eine Visitenkarte eines Anwalts.
„Liebe Kinder! – begann der Brief – Nach gründlicher Überlegung habe ich beschlossen, gerecht zu handeln. Da ihr nicht bereit seid, eurer Schwester zu helfen, wende ich mich an das Recht. Familie sollte einen Platz zum Leben haben. Wenn Sascha Anastasia keine Wohnung kaufen kann, wäre es am vernünftigsten, die jetzige zu verkaufen und das Geld zu teilen. Das wäre fair – für euch und zukünftige Enkel.“
Alena knirschte mit den Zähnen, zerknüllte den Brief und warf ihn auf den Tisch.
– Ist sie verrückt? Das ist MEINE Wohnung! MIT MEINEM Geld GEKAUFT! Wie kann sie so etwas schreiben?
Sascha schwieg, starrte auf die Visitenkarte des Anwalts.
– Vielleicht ist das nur… Druck, – sagte er vorsichtig.
– Druck? – Alena lächelte bitter. – Das ist kein Druck mehr, das ist Krieg.
Am Abend rief Nina Pietrowna selbst an. Ihr Ton war süßlich und ruhig:
– Sascha, du weißt, dass ich das für euch tue. Anastasia braucht ein Dach über dem Kopf, und ihr einen größeren Spielraum für die Zukunft. Und falls wir Alenas Wohnung verkaufen…
– Mama, – unterbrach Sascha plötzlich bestimmt, – die Wohnung gehört Alena. Sie ist ihr Eigentum. Ende der Verkaufsdiskussion.
Auf der anderen Seite herrschte Stille, dann knurrte Nina Pietrowna:
– Also wählst du eine fremde Frau statt der Familie?
Alena hörte diese Worte und ihr Herz bebte.
Sascha atmete aus und antwortete:
– Ich wähle meine Frau. Denn das ist meine Familie.
Dann legte sie abrupt auf.
Alena sah ihren Mann an, Erleichterung im Gesicht, aber auch das Warten auf den nächsten Schlag.
– Weißt du, – sagte sie leise, – sie wird nicht so einfach nachgeben.
– Ich weiß, – bestätigte Sascha. – Aber jetzt stehe ich wirklich auf deiner Seite.
Nach langer Zeit fühlte sie, dass sie ein echtes Team waren. Doch in ihrem Herzen wuchs ein unheilvolles Gefühl.
Denn da Nina Pietrowna einen Anwalt engagiert hatte, standen ihnen nicht nur Besuche mit Koffern bevor…
…sondern echte Züge in einem fremden Spiel.
Einige Tage später fiel ein weiterer Brief in den Briefkasten. Alena hob den weißen Umschlag auf und wusste sofort – das war keine gewöhnliche Post.
Auf dem Umschlag prangte das Siegel: „Rechtskanzlei Iwanow & Partner“.
Sie riss ihn sofort in der Küche auf.
– „Sehr geehrte Alena Wiktorowna, – las sie laut – im Zusammenhang mit dem Antrag Ihrer Schwiegermutter, Nina Pietrowna, empfehlen wir, den freiwilligen Verkauf der Wohnung in Erwägung zu ziehen, um angemessene Bedingungen für die minderjährige Anastasia und zukünftige Enkel zu gewährleisten…“
Alena hätte fast hysterisch gelacht – vor Wut und Unglauben.
– Minderjährig?! Anastasia ist zwanzig, erwachsen! Und zukünftige Enkel? Was für ein Zirkus ist das?
Sascha saß ihr gegenüber, sah aus, als wäre er gerade mit kaltem Wasser übergossen worden.
– Mama hat beschlossen, alles durchzuziehen… – flüsterte er.
Alena presste die Hände fest zusammen und drückte den Brief.
– Alles durchziehen? Gut. Dann ziehe ich auch alles durch.
Sie holte einen Ordner mit Dokumenten aus dem Schrank. Darin: Kaufvertrag, Auszug aus dem Grundbuch und alle Papiere, die belegen, dass die Wohnung ihr allein gehört.
– Sieh, Sascha, – legte sie die Unterlagen vor ihm ab. – Das ist mein Rücken. Meine Anwälte können tanzen, wie sie wollen, aber das Gesetz steht auf meiner Seite.
Sascha nahm die Unterlagen vorsichtig, doch in seinen Augen lag ein Schatten der Besorgnis.
– Weißt du, Mama wird nicht aufgeben. Sie könnte nicht nur über Anwälte Druck ausüben…
– Ich weiß, – bestätigte Alena. – Sie wird Mitleid, Pflichtgefühl und „du bist ihr Sohn“ ausnutzen. Aber wenn du nicht richtig wählst, wird sie irgendwann gewinnen.
Sascha atmete tief durch.
– Ich habe gewählt. Ich bin bei dir.
Alena lächelte zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich. Die Freude hielt nicht lange – in diesem Moment klingelte es an der Tür.
Vor der Tür stand Nina Pietrowna. Nicht allein. Begleitet von einer strengen Frau mit Brille und Akten unter dem Arm.
– Guten Abend, Kinder, – sagte die Schwiegermutter eisig. – Darf ich Ihnen meine Anwältin vorstellen?
Alena verschränkte die Arme und stellte sich in die Tür.
– Hervorragend. Und das ist mein Eingang. Er bleibt für diejenigen geschlossen, die fremdes Eigentum betreten wollen.
Die Anwältin hob den Kopf und sagte ruhig:
– Wir möchten die Situation nur rechtlich klären.
Alena lächelte sarkastisch:
– Rechtlich? Perfekt. Dann treffen wir uns nicht auf der Türschwelle meiner Wohnung, sondern vor Gericht.
Sie schloss die Tür vor ihnen.
Sascha sah seine Frau schockiert an.
– Du hast gerade Krieg erklärt.
– Nein, Sascha, – korrigierte sie ihn, strich sich durch die Haare. – Deine Mutter hat den Krieg erklärt. Ich habe nur die Herausforderung angenommen.
Alena spürte, dass dies kein gewöhnlicher Familienstreit mehr war. Es würde eine echte Schlacht werden – um ihr Zuhause, ihre Grenzen und ihr Recht auf ihr eigenes Leben.
Die Vorladung kam zwei Wochen später. Obwohl sie damit gerechnet hatte, verspürte sie einen Stich der Unruhe.
Auf dem Umschlag stand: „Klage auf Anerkennung des Wohnrechts“.
Sascha hielt das Dokument in der Hand und flüsterte:
– Sie ist wirklich vor Gericht gegangen…
– Natürlich, – spottete Alena. – Mama hat genug Entschlossenheit für eine ganze Kompanie Soldaten. Aber das ändert nichts.
Am Tag der Verhandlung erschien Alena in einem eleganten Anzug, mit einer Aktentasche voller Unterlagen und eiskalter Entschlossenheit. Sascha sah aus, als würde er zur Hinrichtung gehen.
Im Flur des Gerichts erblickten sie Nina Pietrowna. Schlicht gekleidet, ein Taschentuch in der Hand, die Augen gerötet vom Weinen. Daneben die gleiche strenge Anwältin.
– Kinder, – schluchzte die Schwiegermutter theatralisch und drückte das Taschentuch ans Gesicht, – ich tue das für euch, für Anastasia, für die zukünftigen Enkel…
Alena sah sie mit kaltem Blick an.
– Für sich selbst, Nina Pietrowna. Nur für sich selbst.
Die Verhandlung begann. Die Anwältin von Nina Pietrowna las die Klage selbstsicher vor:
– Meine Mandantin ist der Ansicht, dass die Wohnung aufgeteilt werden sollte, da dort die Familie ihres Sohnes lebt, was den nächsten Verwandten ein rechtliches Interesse verschafft…
Alena hob eine Augenbraue und lächelte ironisch.
Als der Richter ihr das Wort gab, legte sie ruhig die Unterlagen vor:
– Sehr geehrter Richter, hier ist der Kaufvertrag. Datum: vor drei Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war ich weder verheiratet noch in sonstigen Verpflichtungen. Hier ist der Auszug aus dem Grundbuch – ich bin die alleinige Eigentümerin. Die Wohnung habe ich aus eigenen Mitteln erworben, was durch Einkommensnachweise und Kontoauszüge belegt wird. Mein Ehemann hatte keinerlei Rechte an dieser Immobilie.
Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu:
– Die Ansprüche von Nina Pietrowna haben keinerlei rechtliche Grundlage.
Der Richter nickte und legte die Akten beiseite.
Nina Pietrowna stand sofort auf:
– Das ist meine Familie! Mein Sohn! Meine Tochter! Sollten wir der Schwester nicht helfen? Sie hat kein Dach über dem Kopf!
Alena wandte sich zum Richter und sagte scharf:
– Bitte beachten Sie, dass die Klage weder ein minderjähriges Kind noch gemeinsames Eigentum betrifft. Hier geht es um eine erwachsene Person, deren Mutter versucht, ihr fremdes Eigentum zu entziehen. Das ist reine Druckausübung.
Der Saal verstummte.
Der Richter machte sich Notizen in den Akten.
– Wir werden die Unterlagen prüfen. Die Verhandlung wird vertagt.
Nach der Verhandlung versuchte Nina Pietrowna, Sascha aufzuhalten:
– Mein Sohn, sag doch etwas! Ist das richtig? Sollte deine Frau nicht Vorrang vor Mutter und Schwester haben?
Zum ersten Mal sah Sascha seiner Mutter direkt in die Augen und antwortete entschieden:
– Meine Frau ist meine Familie. Wenn du das nicht verstehst, ist das deine Wahl, nicht meine.
Nina Pietrownas Gesicht verzog sich. Sie blickte zu Alena und sagte:
– Denkst du, du hast gewonnen? Du irrst dich. Das ist erst der Anfang.
Alena ergriff schweigend die Hand ihres Mannes und führte ihn hinaus. Sie wusste, dass es nicht vorbei war. Doch es begann etwas Wichtiges – das Gefühl, nicht nur die Wohnung, sondern auch die familiären Grenzen und das Recht auf ein gemeinsames Leben zu schützen.
Der Prozess dauerte fast zwei Monate. Mehrere Sitzungen, Berge von Unterlagen, Zeugen und Argumente. Das Ergebnis blieb unverändert: Nina Pietrowna hatte keinerlei rechtliche Grundlage.
Am Tag des Urteils verlas der Richter:
– Die Klage von Nina Pietrowna wird abgewiesen.
Alena spürte, wie die Anspannung, die sich all die Zeit aufgebaut hatte, endlich nachließ. Zum ersten Mal seit langer Zeit atmete sie tief durch.
Nina Pietrowna stand auf, ihr Gesicht war bleich.
– Ihr werdet es noch bereuen, – zischte sie und verließ den Saal, ohne sich nach ihrem Sohn umzusehen. Anastasia folgte ihr still und geduckt, als wäre ihr die Situation peinlich.
Alena sah Sascha an. Er war niedergeschlagen, aber in seinen Augen gab es keine Zweifel mehr.
– Also, das war’s, – sagte sie leise.
– Alles? – lachte er bitter. – Das Ende nur vor Gericht. Und für uns? Mama wird doch nicht aus unserem Leben verschwinden.
Alena nickte.
– Nein, sie wird nicht verschwinden. Aber jetzt kennen wir die Grenzen. Wenn sie wieder versucht, sie zu überschreiten, werde ich es nicht zulassen.
Sascha nahm ihre Hand.
– Danke, dass du alles durchgestanden hast. Ich hätte es allein nicht geschafft.
Sie verließen das Gerichtsgebäude. Draußen regnete es frühlingshaft, die Luft war frisch, voller Duft von Neuanfängen.
Alena blieb stehen und sah ihren Mann an.
– Weißt du, Sascha, ich habe eines verstanden. Familie sind nicht diejenigen, die ihre Rechte aufzwingen, sondern diejenigen, die an deiner Seite gehen, auch wenn es schwer ist.
Sascha nickte.
– Dann sind wir jetzt wirklich eine Familie.
Sie gingen Hand in Hand. Hinter ihnen blieben Schreie, Drohungen und Manipulationsversuche. Vor ihnen lag eine ungewisse, aber ihre gemeinsame Welt.
Alena lächelte innerlich: die Wohnung blieb ihr, aber wichtiger war, dass die Liebe, die die Schwiegermutter zerstören wollte, unversehrt blieb.
Das war ihr größter Sieg.
Zusammenfassung:
Die Geschichte zeigt die Kämpfe eines jungen Paares mit zunehmendem familiären Konflikt um eine gemeinsame Wohnung. Zahlreiche Besuche und Druckversuche der Schwiegermutter entwickelten sich zu einem ernsten Rechtsstreit, in dem Alena entschieden ihr Eigentumsrecht verteidigte. Trotz der emotionalen Belastung und der langen Dauer der Auseinandersetzung gewann das Paar klare Grenzen und ein gemeinsames Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die Erzählung verdeutlicht, wie wichtig gegenseitige Loyalität und klare Regeln in familiären Beziehungen sind und wie schwierig es sein kann, persönliche Räume zu schützen und Grenzen zu respektieren.