Ein überraschendes Treffen in den Bergen

Hoch in den Bergen, wo die kalte Luft von Frost erfüllt und der Wind zwischen den Felsen weht, wanderte ein 68-jähriger Mensch namens Alexej. Er hatte sich von der Stadt entfernt, um dem hektischen Treiben zu entfliehen und einige Tage in der Natur zu verbringen.

Sein Weg führte ihn über einen alten, längst vergessenen Pfad. Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln, während die Sonne sich dem Abend näherte und die Gipfel in ein rosig-goldenes Licht tauchte.

Am dritten Tag, gerade als er sein Lager an einem Gebirgsbach aufschlagen wollte, vernahm er ein seltsames Geräusch. Es war nicht der Wind, sondern ein leises, krächzendes Wimmern. Alexej hielt inne, öffnete vorsichtig die Zweige eines niedrigen Gebüschs und sah etwas, das ihn erstarren ließ: Ein großer grauer Schatten kämpfte in einer Drahtschlinge. Ein Wolf. Abgemagert, mit blutender Pfote, seine Augen zeigten Schmerz und Angst.

Obwohl das Tier knurrte, war es anscheinend zu schwach, um sich zu wehren. Instinktiv wollte Alexej zurückweichen. Alles in ihm rief dazu auf, zu gehen. Aber etwas hielt ihn davon ab. Er erkannte keinen Feind, sondern ein leidendes Geschöpf.

Er kniete nieder, ließ seinen Rucksack fallen und sprach in ruhigem Ton, fast so, als redete er mit einem Menschen:

„Keine Angst… ich will dir nichts tun. Alles wird gut.“

Der Wolf knurrte erneut, bewegte sich jedoch nicht. Alexej zog sich Handschuhe an, wickelte seinen Arm mit einem dicken Stück seiner Jacke ein und begann, vorsichtig die Drahtschlinge zu lösen.

Das Metall hatte sich tief ins Fleisch geschnitten, fast bis zum Knochen. Der Wolf stieß einen erstickten Laut aus, griff aber nicht an. Er spürte: Ein Mensch will ihm helfen.

Minuten schienen sich in die Ewigkeit zu dehnen. Der Schnee nahm eine rote Färbung an. Ihr Atem bildete weiße Wolken in der kalten Luft. Dann – ein Klick. Die Schlinge gab nach. Der Wolf fiel zur Seite und haderte mit dem Atmen.

Alexej trat zurück und wartete.

Nach einer Weile hob der Wolf den Kopf und sah Alexej direkt in die Augen. Er floh nicht. Er blieb stehen. Es war, als würde er verstehen.

Alexej reinigte die Wunde, verband die verletzte Pfote und hinterließ etwas Brot sowie Trockenfleisch.

Er verbrachte die Nacht neben dem Wolf, am Feuer sitzend.

Die Flammen spiegelten sich in den Augen des Tieres – dort war kein Schrecken mehr, nur Erschöpfung und ein stilles Vertrauen.

Als der Morgen anbrach und die ersten Sonnenstrahlen die Bergspitzen berührten, erhob sich der Wolf. Er hinkte ein paar Schritte, hielt inne und warf einen Blick zurück zu Alexej. Ihre Blicke trafen sich. Es benötigte keine Worte. Keine Geräusche. Nur ein Moment tiefen Verstehens.

Dann verschwand der Wolf zwischen den Kiefern. Alexej blieb lange stehen, bis sein eigener Atem in der Stille verklang.

Eine Woche später, zurück zu Hause, las er eine Nachricht im Internet: In denselben Bergen hatten Hirten einen Wolf mit einer bandagierten Pfote gesehen. Er begleitete ihre Herde und attackierte niemanden.

Da wurde Alexej klar: Wunder existieren tatsächlich. Sie erscheinen nur manchmal anders, als wir es erwarten.