Seit Monaten trug Andrej denselben Gedanken in sich: Er wollte die Ehe beenden. Leise, ohne Skandale oder dramatische Szenen. Einfach gehen. Leise, als wäre er eines Tages aus dem Haus gegangen und nie wieder zurückgekehrt.
Sieben Jahre lang lebten sie mit Maria zusammen. Keine Kinder, keine lauten Streitereien, keine starken Emotionen. Ihr Leben verlief ruhig, ruhig und schmerzlich vorhersehbar. Jeder Morgen war eine Kopie des vorherigen. Eines Tages merkte Andrej, dass er sich nicht erinnern konnte, wie sich der letzte Samstag von diesem unterschied oder was am Montag vor zwei Wochen passiert war.
Maria war die perfekte Ehefrau. Überraschend perfekt – und das begann ihn zu ärgern. Das Haus war immer ordentlich, das Essen war warm und lecker, alles wurde im Voraus erledigt, ohne dass er gefragt wurde. Eines Tages dachte Andrej gerade an Kaffee, als Maria kurz darauf mit einer Tasse hereinkam.
„Wie machst du das?“, fragte er leicht verwirrt.
„Was genau?“
„Du weißt immer, was ich will.“ „Ich verstehe dich einfach … weil ich dich sehr liebe“, sagte sie leichthin, als würde sie über das Wetter sprechen.
Er nickte. Keine Umarmungen, keine Küsse – nur eine kurze Geste der Dankbarkeit, als würde er einem Kellner Trinkgeld geben. Innerlich war es leer. Allmählich verschwanden die Gefühle – kein Ärger, kein Groll, nicht einmal einfache Aufregung. Nur leidenschaftslose Alltäglichkeit. Er dankte ihr mechanisch: „Danke“, sagte er, fast ohne nachzudenken. Sie schien alles zu verstehen. Sie schaute seltener ins Büro, berührte ihn seltener und ging oft zuerst ins Bett.
Und eines Tages bemerkte er, dass sie ihn nicht mehr an der Tür begrüßte. Sie ging früher ins Bett, still, als wüsste sie bereits, dass er schon lange weg war.
Valeria tauchte plötzlich auf – eine junge Praktikantin, die für ein paar Monate in ihre Abteilung kam. Sie war das Gegenteil von Maria: lebhaft, energiegeladen, mit einem Funkeln in den Augen und einem Lachen, das die Monotonie des Büros aufbrechen konnte. Alles an ihr bewegte sich – ihre Stimme, ihre Bewegungen, sogar die Art, wie sie die Tasse auf den Tisch stellte.
Andrej bemerkte sie sofort, obwohl er versuchte, es nicht zu zeigen. Sie war zu jung, zu frei. Doch Valeria schien seinen Blick zu spüren. Sie verweilte in der Nähe seines Büros, richtete sich dann die Haare, begann dann ein Gespräch über Belanglosigkeiten, als verbarg sich hinter jedem Wort etwas anderes.
Er ertappte sich dabei, wie er an sie dachte. Er stellte sich ihre Stimme hinter seinem Rücken vor, sah sie im Spiegelbild der Fenster. Zum ersten Mal seit Jahren weckten seine Fantasien so etwas wie ein lebendiges Gefühl in ihm. Er fühlte sich schuldig, verdrängte es aber schnell. Schließlich passierte nichts.
Bis es eines Tages geschah.
Es war Feierabend. Der Aufzug. Sie waren allein. Die Türen schlossen sich. Stille. Und plötzlich trat Valeria näher. Ohne Umschweife. Küsste ihn. Einfach so.
„Ich wollte wissen, wie du schmeckst“, flüsterte sie und stieg mit sicherem Schritt aus dem Aufzug.
Andrej blieb schockiert drinnen stehen. Sein Herz schlug zu laut. Sein ganzer Körper schien zu brennen.
Sie machte keine offensichtlichen Bewegungen mehr. Doch jede ihrer Gesten wurde zu einer Andeutung. Blusen, Blicke, Betonungen – alles war eine Einladung. Sie spielte sanft, gekonnt, ohne Druck. Und er ließ sich auf dieses Spiel ein – in seinen Gedanken, in ihren Blicken, so wie er Marins Stimme beim Abendessen nicht mehr hörte.
Valeria beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit. Und Andrej bemerkte nicht, wie aus Verratsgedanken echter Verrat wurde.
Ohne sich zu erinnern, wie, fanden sie sich in einem Hotel am Stadtrand wieder. Regen draußen, Stille im Aufzug, der Duft von Parfüm. Alles geschah schnell, als wäre es nicht ernst gemeint. Er fühlte sich, als wäre er aus der Gefangenschaft ausgebrochen. Dies war kein Mann, der seine Frau betrog – dies war ein Mann, der sein Recht auf Leben zurückerlangte.
Als sie gingen, richtete Valeria ihre Haare und zwinkerte:
„Wir sind erwachsen. Keine Verpflichtungen.“
Er nickte. Und in ihm breitete sich bereits eine ängstliche Leere aus.
Zu Hause wartete das Abendessen unter der Folie auf ihn. Maria schlief im Wohnzimmer im Licht eines Nachtlichts. Er setzte sich neben sie und sah sie an. Sie öffnete die Augen. Sie sahen sich lange an. Ohne Worte. Als wäre schon alles gesagt.
Er wollte etwas sagen – „Es tut mir leid“, „Du warst es nicht“, „Ich habe mich einfach verloren“ – aber er konnte nicht. Sie fragte nicht. Sie weinte nicht. Sie rollte sich einfach an die Wand.
Andrej hatte das Gefühl, seine Frau nicht betrogen zu haben – er hatte diejenige betrogen, die noch auf ihn wartete. Diejenige, die an ihn glaubte.
Aber am nächsten Tag besuchte er Valeria trotzdem.
Ein paar Tage später ging Andrej auf Geschäftsreise. Er wusste, dass ein Gespräch mit Maria unvermeidlich war, aber er schob es immer wieder auf. Valeria kam gleich danach, als wäre es so vorgesehen. Sie verbrachten ihre Abende im Zimmer, als hätte es nie eine gemeinsame Vergangenheit gegeben.
Am dritten Tag kam Andrej allein zurück. Es regnete. Er überquerte gerade die Straße, als ihm plötzlich eine Frau mit einem Kinderwagen in die Arme lief. Im selben Moment bog ein Auto um die Ecke. Andrej schaffte es, sie wegzustoßen. Der Schlag traf ihn.
Das Koma dauerte mehrere Tage. Die Diagnose war alarmierend – Rückenmarksverletzung, mögliche Behinderung. Als er aufwachte, sah er als Erstes Maria. Sie saß an seinem Bett und drückte seine Hand. Keine Tränen, keine Hysterie – einfach da.
Valeria tauchte erst am dritten Tag auf. Sie kam auf die Station, ging aber nicht ans Bett. Sie sagte nur:
– Ich bin jung. Damit habe ich nicht gerechnet. Das ist nicht mein Schicksal.
Sie ging gelassen, als würde sie nach dem Abendessen ein Restaurant verlassen.
Andrej erkannte, dass sie ihn überhaupt nicht kannte.