„Weißt du, Liebste, deine Mutter hat recht. Du bist eine Schmarotzerin, geh zu arbeiten!“ rief Ilja seiner erstarrten Ehefrau zu und schlug dabei so heftig auf den Tisch, dass ein Löffel am Rand hochsprang.
Svetlana blieb wie gelähmt. Worte zur Erwiderung fanden sich in ihrem Kopf nicht, stattdessen brodelten Wut, Enttäuschung und Verwirrung in ihrem Inneren.
„Schmarotzerin“ – ein Begriff, der auf ihre harte Arbeit nicht im Geringsten zutraf.
Schließlich war sie jene, die allein die Hypothek, sämtliche Nebenkosten für Wasser, Strom, Gas und sogar Iljas Mobiltelefon aus ihren Ersparnissen bezahlte. Sie lebte ausschließlich für ihren Mann, kümmerte sich um Haushalt, Kochen, Waschen und machte das Zuhause behaglich und sauber.
Schon vor der Ehe hatte Svetlana nur den Wunsch gehegt, Hausfrau zu sein. Nachdem sie bis 33 Jahre gut verdient hatte, gab sie ihre Karriere auf und entschied sich bewusst für ein Leben nur für sich.
Ilja dagegen war sieben Jahre jünger und hatte die erfolgreiche Svetlana mehr aus Eigennutz als aus Liebe geheiratet.
Offenbar platzte ihm dieses Mal der Kragen, und er vergaß dabei eine wichtige Tatsache: Bei wem die geliebte Mutter, Irina Arnoldowna, bequem wohnte und auf wessen Wohnung sie zurückgriffen, wenn Ilja selbst in einer schweren Phase steckte.
„Na gut, Liebling,“ begann Svetlana ruhig. „Also meinst du, ich sei eine Schmarotzerin?“
Ilja zuckte unsicher mit den Schultern, während ein kalter Luftzug aus dem Treppenhaus seinen Rücken streifte.
„Wir haben wenig Geld, und du bist ständig zu Hause, während ich arbeite.“
„Dann hast du zu wenig.“
Svetlana neigte den Kopf und sah Ilja fest in die Augen.
Ein gedanklicher Moment: „Offenbar will dieses Bürschchen die Rolle des Familienoberhaupts spielen“, dachte sie bei sich.
Dann sagte sie mit Entschlossenheit: „Gut, Iljuscha, du wirst mehr Geld bekommen. Warte nur ab.“
Ohne Eile drehte sie sich um, zog ihr Mobiltelefon aus der Tasche und bestellte ein Taxi.
Ilja versuchte, sie aufzuhalten. „Wohin gehst du?“
„Um Geld,“ antwortete sie gelassen und schlug die Tür hinter sich zu.
Im Taxi klopfte Svetlana nervös mit den Fingernägeln auf ihr Handy.
„Schmarotzerin… Also halte ich euch alle am Leben, pflege die Zweitwohnung, die ich günstig erstanden habe, damit meine Schwiegermutter, Irina Arnoldowna, ihren Wunsch erfüllen kann, im Alter in die Stadt zu ziehen. Und während ich ihre endlosen Klagen über Wehwehchen und das Wetter ertrage, höre ich so etwas wie ‘Geh arbeiten’.“
„Na selbstverständlich war sie im nächsten Maklerbüro,“ bemerkt sie dann zum Fahrer. „Warten Sie hier bitte.“
Nach zehn Minuten betrat Svetlana, mit einem spöttischen Lächeln, das Maklerbüro „Ihr Zuhause“ – auf dem Weg zu ihrer zweiten Wohnung, wo vorübergehend ihre Schwiegermutter wohnte.
„Irina Arnoldowna?“
„Ich brauche dringend Mieter,“ sagte sie bestimmt zur Mitarbeiterin am Empfang. „Am besten Studenten, sogar mit Katze – Hauptsache, sie zahlen im Voraus für ein paar Monate.“
Die Empfangsdame schickte sie in Büro fünf, in dem der Makler Igor gerade Mieter auswählte.
Obwohl Svetlana sehr geschäftig wirkte, hatte man wohl innerlich leichte Zweifel an ihrer Art.
Igor erkundigte sich anhand von Svetlanas Angaben genau und füllte danach die notwendigen Formulare aus.
„Ich habe junge Leute, die genau das suchen, was Sie anbieten. Ich denke, Ihr Angebot wird sie überzeugen. Allerdings müssen wir einen Kooperationsvertrag schließen.“
„Einverstanden,“ bejahte Svetlana fast ohne hinzusehen und unterschrieb den Vertrag.
„Also kommen die Mieter morgen?“
„Ja, ich sende mein Bestes daran, dass Sie morgen schon neue Bewohner haben.“
Igor schenkte ihr ein vielsagendes Lächeln, doch Svetlana wollte nichts mehr hören. Ihr Ärger wegen Iljas Worte war noch frisch.
Wenige Minuten später stand sie vor ihrer Wohnungstür. Die Tür wurde von der Schwiegermutter geöffnet, die im alten Hausmantel mit weißen Blumen auf blauem Grund und mit Lockenwicklern im Haar dastand.
„Svetlana, warum hast du nicht vorher angerufen? Ist etwas passiert? Du bist ganz anders als sonst.“
Irina Arnoldowna spürte die düstere Stimmung und die Aufregung ihrer Schwiegertochter intuitiv.
„Ich habe gerade erst angefangen, Borschtsch zu kochen. Warte doch, und wir essen zusammen.“
Mit höflichem, fast unterwürfigem Lächeln wandte sich die Schwiegermutter an Svetlana, aber die unterbrach sie streng:
„Packen Sie bitte, Ihre Frist hier ist abgelaufen.“
Die Schwiegermutter war völlig verwirrt, wusste nicht, wie sie reagieren sollte.
- „Wie abgelaufen? Du hast doch selbst gesagt: ‚Bleib, solange du willst.‘ Hast du das etwa vergessen?“
- „Ich habe sogar einen Schrank für meine Sachen gekauft!“
- „Was ist los? Was hat dich so verändert?“
Svetlana nickte freundlich, erklärte dann ruhig:
„Ich weiß, was du gesagt hast. Aber dein Sohn Ilja steckt gerade in einer schweren Lage und ist verzweifelt. Geld ist knapp, und heute hat er mich sogar angeschrien. Darum, Irina Arnoldowna, solltest du packen; ab morgen wird die Wohnung vermietet. Entschuldige.“
Ohne Zeit zu verlieren, begann sie, die Sachen der überraschten Frau in bereitliegende Müllsäcke zu stopfen.
Nach einer Viertelstunde erschien der Handwerker mit Werkzeugen, den Svetlana schon im Taxi gerufen hatte. Die Firma machte kleine und schnelle Reparaturen.
„Ich bin der Schlosser. Wurden Sie gerufen?“
„Ja, kommen Sie bitte herein,“ erwiderte Svetlana und öffnete die Tür weit.
Irina Arnoldowna stand sichtlich geschockt da.
„Svetlana, was tust du da?“
„Ich sorge für die Zukunft unserer Familie,“ sagte Svetlana mit ernstem Ton. „Alles dient dazu, unsere Einnahmen zu verbessern.“
Währenddessen bohrte der Handwerker energisch am Türschloss und tauschte es aus.
Die Schwiegermutter schluchzte leise, verzweifelt.
„Mein liebes Svetlana, wie soll ich das nur schaffen? Hier habe ich mich eingelebt. Und der Borschtsch auf dem Herd gehört mir, und meine Begonie auch.“
„Keine Sorge“, erwiderte Svetlana energisch. „Topf und Borschtsch kannst du mitnehmen, und deine Begonie wächst sicher auch im Dorf gut.“
Irina Arnoldowna war sprachlos.
„Mach dir keine Sorgen. Ein Wagen steht schon unten bereit. Der Fahrer bringt dich zurück in dein Dorf, zusammen mit deinen Begonien und sogar deinem Borschtsch.“
Als Svetlana zurückkehrte, saß Ilja mit finsterer Miene auf dem Sofa. Seine Mutter hatte ihn bereits angerufen und alles berichtet.
„Wo warst du denn?“ brummte er mürrisch.
Svetlana zog sachlich ihren Mantel aus und warf die Tasche auf den Sessel.
„Ich habe Geld gesucht, mein Lieber, und gefunden. Ab morgen wird die Wohnung vermietet, in der deine Mutter vorher wohnte. So habe ich entschieden.“
„Wenn wir wirklich wenig Geld haben, wie du sagst, dann leben wir eben sparsamer. Du wirst zu Fuß zur Arbeit gehen, deine Mahlzeiten von zu Hause mitnehmen und keinen Kaffee oder Imbiss mehr draußen. Wir werden sparen.“
„Und abends gibt es kein Bier und keinen Schnickschnack mehr, dafür einfache Breie und Gemüse. So wird das laufen, bis sich unsere finanzielle Lage bessert.“
Ilja sprang vor Empörung über die neue Regelung auf.
„Svetka, bist du verrückt? Du hast doch meine Mutter rausgeschmissen! Wohin soll sie denn jetzt?“
„Beruhig dich. Deine Mutter fährt gerade heim. Ihre Sachen sind schon zwischen Stadtrand und Dorfklub unterwegs.“
Ilja rang nach Luft wie ein Fisch an Land.
„Also hast du wirklich meine Mutter rausgeworfen?“
„Nein, ich habe nur unsere Ausgaben optimiert und unsere Einnahmen erhöht.“
Ilja griff panisch nach seinem Kopf.
„Svetka, du bist ein Monster! Das ist doch meine Mutter. Sie ist eine alte Frau.“
„Nichts Schlimmes wird ihr passieren,“ lächelte Svetlana süß. „Die Landluft stärkt die Gesundheit. Eine Krankenschwester hat ihr sogar geraten: ‚Kartoffeln dreimal täglich hocken, und alle Krankheiten sind wie weggeblasen.‘“
Ilja ließ sich wortlos aufs Sofa fallen, fühlte, wie ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
Unterdessen spielte sich vor dem vollgepackten Taxi eine eigene Dramatik ab.
Irina Arnoldowna rief nacheinander alle Verwandten an. Sie wollte keineswegs in das Dorf zurückkehren.
- „Lyuba, hallo, hol mich ab!“
- „Was heißt ‚ein Zimmer für drei Personen‘? Das ist ja eine Qual.“
- „Okay, Alotschka, kann ich eine Woche bei dir wohnen?“
- „Wie, du fliegst in die Türkei? Ich liebe das Meer auch!“
Die Schwiegermutter klagte, jammerte, schimpfte – der Taxifahrer aber blieb gelassen. Seine Arbeit war bezahlt, und lieber wartete er, als zu fahren.
Irina Arnoldowna wirkte, als hätte sie eine kleine Apokalypse erlebt.
Nach weiteren zwanzig Minuten am Telefon machte sie sich dennoch auf den Weg ins Dorf.
Ilja konnte Svetlana diesen harten Schritt nicht verzeihen. Nach einer Woche auf ihren einfachen Breien lebend, verschwand er ebenfalls – mit nur einer letzten Frage:
„Warum tun wir das?“
„Weil du, mein Junge, Tante nicht mehr nerven sollst,“ war Svetlanas knappe Antwort.
In diesem Moment blickte sie Ilja nicht mehr voller Liebe, sondern voller Verachtung an. Offensichtlich war er ihr einfach auf die Nerven gegangen.
Obwohl sie nun allein war, fühlte sie sich seelisch viel ausgeglichener. Und niemand nannte sie mehr Schmarotzerin.
Fazit: Diese Geschichte illustriert, wie finanzielle Spannungen und unerfüllte Erwartungen in einer Beziehung zu tiefen Konflikten führen können. Svetlana musste radikale Entscheidungen treffen, um ihre Familie zu stabilisieren und für ihre eigenen Grenzen einzustehen. Letztendlich zeigen solche Erfahrungen, dass offene Kommunikation sowie gegenseitige Wertschätzung unerlässlich sind, um familiären Zusammenhalt trotz Schwierigkeiten zu erhalten.