Ein Ehrenplatz für Goliath

Ich verlor mein rechtes Bein in den Bergen von Kunduz. Die Splitter einer improvisierten Sprengladung rissen mir nicht nur Knochen und Fleisch aus dem Körper, sondern auch ein Stück Seele. Die Narben heilten, die Alpträume blieben. Ich war 27, Veteran – und vollkommen verloren.
Dann kam Goliath.
Ein schwarzer Labrador mit klugen Augen und einem Herz, das größer war als meine Schmerzen. Er wurde mir vom Veteranenverband zugeteilt. Anfangs wollte ich ihn nicht. Ich wollte niemanden. Doch Goliath blieb. Er spürte meine Angst, bevor ich es tat. Legte seine Schnauze auf mein Knie, wenn ich zitterte. Führte mich durch überfüllte Räume. Ließ sich stumm an meiner Seite nieder, wenn die Welt wieder zu laut wurde.
Er wurde mein Anker. Mein Freund. Mein Lebensretter – im Frieden, nachdem der Krieg vorbei war.
Dann kam Lena. Sie war Floristin. Ihre Stimme hatte etwas Sanftes, Unaufdringliches. Sie störte sich nicht an meiner Prothese, nicht an meinen Narben, nicht an meinem Schweigen. Sie mochte Goliath. Vielleicht mochte sie ihn sogar zuerst – und durch ihn mich. Als sie Ja sagte, brach etwas auf in mir, das ich für tot gehalten hatte.
Die Hochzeit sollte klein sein, aber bedeutungsvoll. Und als es darum ging, wer mein Trauzeuge sein sollte, wusste ich sofort: Goliath.
Ich nähte ihm ein Halstuch mit unseren Initialen, ließ ihm eine eigene kleine Brosche anfertigen – eine aus Bronze geprägte Pfote. Er trug die Ringe an einem kleinen Satinkissen auf seinem Rücken, stolz, ruhig, fokussiert. Als Lena auf mich zuschritt, lief Goliath ihr entgegen, setzte sich zwischen uns – als Zeichen dessen, was er uns gegeben hatte.
Die meisten Gäste klatschten. Einige weinten. Aber nicht alle.
„Es ist respektlos“, murmelte Lenas Onkel beim Empfang.
„Ein Hund als Trauzeuge? Wie kann man so einen Tag nicht ernst nehmen?“, meinte meine Cousine, die mich nie im Krankenhaus besucht hatte.
„Du hättest wenigstens einen Menschen wählen können.“
Ich hörte sie. Ich ignorierte sie. Denn sie hatten nie gesehen, wie Goliath mich im Schlaf vor Panikattacken weckte. Wie er bellte, als ich am Straßenrand fast zusammenbrach. Wie er meine Hand mit seiner Schnauze hochhielt, als ich das erste Mal allein zum Friedhof meines gefallenen Kameraden ging.
Ein Mensch hätte ein schönes Bild abgegeben. Aber Goliath war mehr als ein Symbol – er war mein Held.
Heute liegt er an meinen Füßen, alt, langsam geworden, aber wachsam wie eh und je. Lena sagt manchmal, ohne ihn hätte ich sie vielleicht nie lieben können.
Und das ist die Wahrheit.
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