Ich heiße Elke Schneider, 62 Jahre alt, Rentnerin und Mutter zweier Kinder. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas jemals sagen würde, aber mein Sohn Thomas hat mein Herz zerbrochen. Und das nicht im übertragenen Sinne – nein, ich spüre es körperlich, jeden Tag, seit jenem schrecklichen Morgen.
Zehn Jahre lang habe ich ihm und seiner Familie mein Vertrauen geschenkt. Als sie damals in meine geerbte Zweizimmerwohnung zogen, war das ein Akt der Fürsorge. Sie war alt, abgewohnt, ja – aber ein sicherer Ort, ein Anfang für ihr Familienleben. Ich sagte damals klar: „Das ist keine Schenkung. Ihr könnt hier wohnen, bis ihr euch etwas Eigenes leisten könnt.“ Thomas nickte. Petra, seine Frau, lächelte still. Ich glaubte, sie hätten verstanden.
Aber was ich nicht wusste: Diese Jahre der Stille haben bei ihnen offenbar ein ganz anderes Gefühl genährt – Anspruch.
Als meine Tochter Anika, frisch im Berufsleben, mich bat, ob sie vielleicht die Wohnung übernehmen dürfe, spürte ich, dass die Zeit gekommen war. Ich konnte sie doch nicht ewig im Kinderzimmer wohnen lassen, während ihr Bruder sich in einer Wohnung eingerichtet hatte, die er nie besessen hatte.
Ich redete mit Thomas. „Ihr müsst euch was Eigenes suchen. Die Wohnung braucht jetzt Anika.“
Was folgte, war wie ein Sturm, der sich jahrelang angestaut hatte: Vorwürfe, Schreie, kalte Blicke. Petra sagte kein Wort – aber ihre Verachtung sprach Bände.
Ich gab ihnen vier Wochen Zeit. Ein Monat, um Abschied zu nehmen. Ich dachte, das wäre fair. Vielleicht sogar großzügig.
Aber ich hatte nicht mit der Kälte gerechnet, zu der mein eigener Sohn fähig war.
Am Tag nach dem Auszug ging ich mit Anika zur Wohnung. Ich wollte sie gemeinsam mit ihr auf Vordermann bringen – streichen, putzen, kleine Reparaturen. Doch als wir das Schloss öffneten und die Tür aufdrückten, blieben wir wie versteinert stehen.
Alles war verwüstet.
Die Wände: nackt, zerkratzt, Tapeten in Fetzen.
Der Boden: aufgerissen, das Laminat fehlte.
Die Lampen: verschwunden.
Die Vorhänge, Halterungen, selbst die Steckdosenabdeckungen – abmontiert.
Das Badezimmer? Nichts. Keine Toilette, keine Badewanne. Nur Rohre und Schutt.
Meine Tochter begann zu weinen. Ich stand da, das Zittern in meinen Händen wurde stärker. Ich nahm mein Handy, wählte Thomas’ Nummer, sprach mit bebender Stimme: „Was hast du getan?“
Seine Antwort kam eiskalt: „Das ist alles, was wir reingesteckt haben. Anika bekommt nichts geschenkt. Sie kann ja selbst investieren.“
Und plötzlich wusste ich: Das war kein Missverständnis. Es war Absicht. Ein gezielter Akt der Rache, aus verletztem Stolz, aus der Gier nach Besitz, aus Petra.
An diesem Tag ist nicht nur eine Wohnung zerstört worden. An diesem Tag habe ich meinen Sohn verloren.
Ich weiß nicht, ob ich ihm je wieder verzeihen kann. Vielleicht gibt es Dinge, die man nicht mehr kitten kann, wenn sie einmal zerbrochen sind. Und Vertrauen – das ist eines davon.

Die Wohnung, die alles zerstörte“ – Eine Geschichte über Vertrauen, Verrat und das Ende einer Mutterliebe
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