Eine Frau ließ mich mit zwei Kindern in einem Pendlerzug zurück und rannte weg; Sechzehn Jahre später schickte sie mir eine Nachricht – mit den Schlüsseln zu einem prächtigen Herrenhaus und einem beträchtlichen Vermögen.

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„Wohin gehst du bei dem Wetter?“, rief der Kontrolleur und sah Lena an, die mit schweren Taschen am Dock stand.
„Bis nach Olchowka, letzter Waggon“, antwortete Lena, streckte ihre Fahrkarte aus und schleppte ihr Gepäck mit letzter Kraft in die Lobby.
Die S-Bahn quietschte.
Draußen boten sich düstere Landschaften: nasse Felder, halb verfallene Gebäude, seltene, in Vegetation versunkene Dörfer. Der Regen trommelte auf das Dach und ließ die Farben der Welt hinter dem Fenster verblassen.
Lena fand einen Platz in einem leeren Waggon und streckte ihre müden Beine aus.
Der Tag war anstrengend gewesen: Lebensmitteleinkauf für die Dorfkantine, endlose Warteschlangen, zu schwere Taschen. Und davor eine schlaflose Nacht. Drei Jahre Ehe … und immer noch keine Kinder. Ilja hatte ihn nie gerügt, aber sie empfand tiefen Schmerz.
So durchlebte sie das Gespräch vom Morgen noch einmal:
— „Alles kommt zu seiner Zeit“, flüsterte er und küsste sie auf die Stirn. „Überstürze das Schicksal nicht. Unser Glück liegt noch vor uns.“
Sie lächelt und erinnert sich an die stolze Zuversicht in ihren Armen. Ilja war zu seinem friedlichen Zufluchtsort geworden. Einst kam ein Agronom in ihr Dorf, um zu arbeiten, und er blieb dort, verliebt in das Land und seine Arbeit … und in sie. Jetzt hatte er seinen eigenen Bauernhof, und sie war Köchin in der örtlichen Kantine.
Das Quietschen der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Auf der Schwelle erschien eine Frau in einem dunklen Mantel mit Kapuze. Sein Gesicht war verborgen, aber wir ahnten sein junges Alter.
Sie hielt zwei Stimmzettel in der Hand, aus denen zwei Kindergesichter hervortraten. Zwillinge, so winzig.
Die Frau blickte sich um, sah Lena und fuhr ohne zu zögern fort:
— „Darf ich?“ Seine Stimme zitterte vor Nervosität.
— „Natürlich“, antwortete Lena und machte ihr Platz.

Die junge Mutter saß direkt neben ihr. Ihre Hände zitterten, und eines der Babys begann zu gebären:
— „Halt die Klappe, mein Liebling“, flüsterte sie und wiegte das Kind zärtlich.
— „Wie süß sie sind …“, lächelt Lena. „Sind das Jungen?“
— „Ein Junge und ein Mädchen. Ivan und Maria sind fast ein Jahr alt.“

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Lena wird neidisch: Wie sehr hat sie davon geträumt, solche Kohlköpfe in den Armen zu halten!
— „Fahrt ihr auch nach Olchowka?“, fragt sie.
Die Frau antwortete nicht, drückte die Kinder fester an sich und wandte sich dann dem Fenster zu, wo die Baumsilhouetten im Regen verschwammen.

Fünf Minuten Stille vergingen. Der Regen verdoppelte sich und verwandelte die Landschaft in ein Aquarell. Dann plötzlich wandte sich die junge Mutter an Lena:
— „Hast du Familie?“ »
— „Ein Ehemann“, antwortete Lena und enthüllte ihren Ehering.
— „Bist du glücklich?“, fragte die Frau mit einem bitteren Lächeln. „Gefällt es dir?“
— „Sehr.“
— „Kinder?“

Lena zögerte: — „Ich träume jeden Tag davon.“
— „Aber es kommt nicht?“
— „Gott hat es noch nicht so entschieden.“

Die Frau versetzte ihr einen heftigen Schlag. Ich warf einen verstohlenen Blick auf die Wagentür und beugte mich dann zu Lena:
— „Ich kann jetzt nicht alles erklären, aber ich sehe, du bist etwas Besonderes. Ich werde verfolgt. Meine Kinder … Wir müssen sie retten.“
— „Was meinst du?“, fragte Lena und trat zurück. „Musst du die Polizei rufen?“
— „Nein!“, rief die Frau und schüttelte Lenas Hand. „Du weißt nicht, wer sie sucht…“
Der Zug nähert sich langsam dem nächsten Bahnhof.
— „Ich flehe dich an“, fuhr sie fort, ihre Augen funkelten vor Angst. „Sie sind in Gefahr. Helft mir…“
Und bevor Lena reagieren konnte, legte sie ihr die beiden Babys in die Arme, schob ihr einen kleinen Rucksack über die Brust und rannte davon. Sie verschwand auf dem Dock, als der Zug abfuhr.
— „Aber… was machst du da?“, schrieb Lena verblüfft, die beiden Schätze in den Händen, und begann gleichzeitig zu weinen.
Sie öffnete die Tasche: Windeln, Fläschchen, Wechselkleidung… und ein zerknüllter Brief. Mit zitternder Hand faltete Lena den Zettel auseinander. Darauf stand:
„Ich kann sie nirgendwo unterbringen… Sie sind in großer Gefahr…
Bitte rettet ihr Leben… Bitte verzeiht mir.“
Das kleine Mädchen hörte auf zu weinen und blickte Lena mit ihren großen blauen Augen an, voller zerbrechlicher Hoffnung.
„Hab keine Angst, mein Lieber“, flüsterte Lena und drückte die beiden Kinder an sich. „Alles wird gut, das verspreche ich dir.“

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