Zwischen Vergangenheit und Neubeginn: Die Entscheidung meines Lebens

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Ich schloss gerade die letzte Tasche, entschlossen, ein neues Kapitel mit dem Mann aufzuschlagen, den ich liebe, als ein unerwartetes Klopfen an der Tür die Welt zum Stillstand brachte. Davor stand niemand Geringeres als mein früherer Ehemann – jener, der mich einst für eine andere verlassen, mein Herz in Trümmer gelegt und die gemeinsame Geschichte ausgelöscht hatte. Sein plötzliches Erscheinen, wie aus einem längst vergessenen Traum, öffnete Wunden, die ich längst vernarbt geglaubt hatte. Was er mir dann offenbarte, ließ alles Erreichte ins Wanken geraten.

Umgeben von halbgefüllten Umzugskartons in meiner Wohnung im malerischen Rheinort verabschiedete ich mich still von Erinnerungen. Jeder Gegenstand erzählte von Erlebtem, das ich nun hinter mir ließ. Meine Gedanken kreisten um Markus – geduldig, bodenständig, der Mensch, der mir half, mich nach der Enttäuschung neu aufzubauen. Kein Märchenprinz, aber jemand, auf den Verlass war. Das energische Klopfen riss mich aus diesen Gedanken. Ich erwartete niemanden – am allerwenigsten ihn.

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Beim Öffnen der Tür stockte mir der Atem. »Klaus?« Dort stand er – gealtert, von Sorgen gezeichnet, der Blick voller Reue. »Lena«, begann er zögerlich, »kann ich eintreten?« Mein erster Impuls war Widerstand. Dieser Mann hatte mich zerstört. Und doch wich ich zur Seite.

Er trat ein, sein Blick glitt durch den Raum, verweilte auf den Kisten. »Du gehst fort?«, fragte er, obwohl die Antwort offensichtlich war. »Ja, ich ziehe zu Markus. Was führt dich her?« Der Name schien ihn zu treffen, doch er fing sich rasch. »Das freut mich. Schön, dass du wieder glücklich bist.« Zwischen uns spannte sich eine bedrückende Stille – wie ein drohendes Gewitter.

Dann sagte er leise: »Ich würde nicht stören, wäre es nicht dringend. Ich weiß, ich habe kein Anrecht auf deine Hilfe. Aber ich bitte dich trotzdem.« Ich verschränkte die Arme. »Worum geht es?« Nach kurzem Zögern brach es aus ihm heraus: »Die Frau, für die ich dich verließ, ist kürzlich gestorben. Ich habe ein Kind – Sofie. Ich komme allein nicht zurecht. Ich brauche Unterstützung.«

Derjenige, der mich einst tief verletzte, bat nun um Beistand für seine Tochter. »Weshalb ich, Klaus? Warum kommst du ausgerechnet zu mir?« »Weil ich niemanden kenne, der so viel Mitgefühl besitzt. Du warst immer stark.« Mir wurde schwindlig. Ich hatte mir ein neues Leben aufgebaut – und plötzlich lag alles wieder in Trümmern. Aber da war dieses Kind. Ein kleines Wesen, unbeteiligt an der Vergangenheit. »Ich weiß nicht, ob ich dazu imstande bin«, flüsterte ich. »Ich denke darüber nach.« »Mehr verlange ich nicht«, antwortete er mit einem hoffnungsvollen Blick.

Als er ging, wusste ich, dass nichts mehr wie zuvor sein würde. Einige Tage später trafen wir uns in einem ruhigen Café am Stadtrand. Nervös spielte ich mit einer Serviette, während ich auf sie wartete. Klaus kam, an der Hand ein kleines Mädchen mit wachen Augen. »Hallo, Lena«, sagte er sanft. »Das ist Sofie.« Ich beugte mich vor. »Hallo, Prinzessin. Dein Kleid ist wunderschön.« Schüchternes Nicken, fest umklammertes Spielzeug.

Während Klaus berichtete, wie schwer ihm der Alltag fiel, beobachtete ich Sofie. Zerbrechlich, zart, unschuldig – etwas an ihr ging mir nahe. Dann sprach er Worte aus, die mich erschütterten: »Vielleicht ist das unsere zweite Gelegenheit. Die Möglichkeit, etwas wiederzufinden.« Ich schwieg. Als er mir das Kind reichte, schmiegte es sich an mich. Ich spürte eine kaum erklärbare Nähe. »Ich brauche Zeit«, murmelte ich.

Später rief ich Markus an. Meine Stimme bebte, als ich um Geduld bat. Doch innerlich ahnte ich, dass ich ihn bereits verloren hatte. Die nächsten Tage glichen einem Gefühlschaos. Ich verbrachte Stunden mit Sofie, spielte, lachte, spazierte. Eine zarte Bindung entstand. Doch mit jedem Augenblick wuchs das Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

Eines Abends, als Klaus nicht da war, zog es mich zum Arbeitszimmer. Ein unerklärlicher Impuls trieb mich dazu, eine Schublade zu öffnen. Dort lagen Papiere – Beweise dafür, dass es um weit mehr ging. Die Vormundschaft für Sofie war an ein beträchtliches Vermögen geknüpft – und er brauchte eine Partnerin, um es zu beanspruchen. Mich.

Als er zurückkam, stellte ich ihn zur Rede. Sein Blick sprach Bände. »Du hast mich benutzt«, flüsterte ich, die Stimme voller Enttäuschung. »Lena, bitte …« – »Schluss. Ich bin fertig.« Tränen liefen, als ich Markus’ Nummer wählte. »Bitte melde dich. Ich muss reden.«

Noch in derselben Nacht verließ ich Klaus. Der Abschied von Sofie schnitt tief – sie war unschuldig. Doch ich konnte Teil dieses Spiels nicht sein. Im Regen sitzend schrieb ich eine Nachricht: »Ich komme. Verzeih. Ich erkläre alles.«

Das Taxi hielt. Und da stand Markus. Tropfnass, mit weißen Lilien in der Hand – meine Lieblingsblumen. Trotz allem hatte er gewartet. In diesem Moment begriff ich: Er war mein Zuhause. Mein Anker. Mein Neubeginn.

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