Die bittere Wahrheit
„Heiraten? Ich doch nicht innerhalb der nächsten Jahre!“ rief Markus lachend aus und hob sein fast leeres Bierglas. „Warum auch? Mir geht es hervorragend! Die Wohnung glänzt, der Kühlschrank ist gefüllt mit köstlichem Essen, und die Wäsche ist stets frisch gewaschen und gebügelt.“
Sein Bruder, skeptisch die Augenbraue hebend, erkundigte sich während ihres späten Beisammenseins: „Und was sagt Lina dazu? Akzeptiert sie es, weiterhin als unbezahlte Haushaltshilfe zu fungieren?“
Markus erwiderte selbstsicher: „Ernsthaft? Denkst du, sie bekommt davon auch nur den Hauch einer Ahnung? Nein, natürlich nicht! Ich teile ihr immer mit, dass die Hochzeit bald stattfinden wird. Glaubst du, es sei schwer, einen passenden Vorwand zu finden, um alles zu verschieben?“
Mit einem zufriedenen Grinsen begann Markus, seine erfundenen Entschuldigungen zu erläutern. Zunächst wurde die Hochzeit angeblich wegen einer Erkrankung seiner Mutter aufgeschoben. Tatsächlich war sie jedoch kerngesund; für ihren Sohn spielte sie das perfekte Opfer. Das Resultat: Niemand wagte es, das Thema Hochzeit ernsthaft anzusprechen.
Da eine Krankheit jedoch nicht ewig dauern kann, musste ein neuer Grund her – und so entstand die nächste Ausrede. Markus erzählte von einem schweren Autounfall, bei dem sein Fahrzeug stark beschädigt wurde. Er selbst blieb unverletzt, und die Versicherung übernahm die Kosten. Doch für Lina stellte er eine ganz andere Geschichte dar: Er sei gezwungen, dem Unfallgegner eine hohe Summe zu zahlen, ein einflussreicher Mann, der ihm bei Nichtzahlung Gefängnis androhte – immerhin durfte er die Summe in Raten abbezahlen.
Lina nahm sogar einen Nebenjob an, um Markus finanziell zu unterstützen! Doch ihre Nächte waren von Schlaflosigkeit und unruhigen Träumen über unbekannte Schläger geprägt. Markus bemerkte ihre Qualen, unternahm aber nichts.
Der angebliche Schuldenberg war abbezahlt, und Lina begann wieder, von der Hochzeit zu sprechen. Daraufhin behauptete Markus, dass seine Arbeitsstelle gefährdet sei und er kurz vor der Kündigung stehe.
„Ich ziehe das Ganze noch ein oder zwei Jahre durch“, sagte er gelangweilt. „Mal abwarten.“
„Warum der ganze Aufwand? Lina ist doch perfekt! Du hast mir stets erzählt, wie großartig sie im Haushalt ist.“
„Ach, sie langweilt mich“, seufzte Markus und stützte sein Kinn in die Hand. Sein Blick blieb auf einer trägen Fliege haften, die langsam die Wand hinaufkrabbelte.
„Langweilig? Wie meinst du das?“
„Hm? Lina… Sie kann zwar kochen und putzen, aber unterhalten? Kaum möglich! Sie mag meine Freunde nicht, trinkt nie mit ihnen und meckert ständig darüber. Außerdem ist sie optisch kein Highlight. Ich bleibe nur bei ihr, bis ich etwas Besseres finde. Aber das wird schwierig – ich bin eben verwöhnt.“
Lina schlich leise in den dunklen Flur, Tränen liefen über ihre blassen Wangen, und ein ersticktes Schluchzen drohte lauter zu werden. Nur ein Augenblick, und sie hätte die ganze Wohnung geweckt.
Weshalb war sie eigentlich heute mit Markus hierhergekommen? Weil sie hoffte, die Einladung zum Familienfest sei ein Zeichen, dass ihre eigene Hochzeit bald stattfinden würde? Wie sehr hatte sie sich getäuscht! Sehr deutlich wurde ihr klar: Für Markus war sie lediglich eine kostenlose Arbeitskraft.
Fast das gesamte Festessen hatte sie eigenständig zubereitet, während ihre zukünftige Schwiegermutter lediglich zwei Salate schnitt und sich dann über Schmerzen beklagte – und das bei zwanzig Gästen! Lina war völlig erschöpft.
Kein Wunder, dass sie einschlief, noch bevor ihr Kopf das Kissen berührte. Nach fünf Stunden jedoch erwachte sie frierend. Die Decke war zu dünn, die Wohnung kalt, und ihr Wärmekissen war verschwunden. Also suchte sie nach Markus – und fand ihr Verderben.
War sie wirklich so naiv, all seinen Lügen Glauben zu schenken? Jedes Mal, wenn das Thema Hochzeit aufkam, folgte ein neues Drama.
„Meine Freundinnen hatten mich gewarnt, dass es verdächtig war“, flüsterte sie weinend. „Doch ich wollte nicht auf sie hören, stritt sogar mit ihnen. Habe ich nicht das Offensichtliche übersehen? Markus’ Freunde haben sich sicher heimlich über mich lustig gemacht. Darum grinsten sie immer so gemein.“
Unruhig lief sie im Zimmer auf und ab und überlegte verzweifelt, wie es weitergehen sollte. Ihre Situation war düster: In Markus’ Wohnung besaß sie nichts, dabei steckte sie den gesamten Lohn in den Haushalt. Selbst wenn etwas ihr gehörte – sie waren nicht verheiratet und hatte folglich keine Rechte.
Fünf Jahre hatten sie zusammengelebt! Ganze fünf Jahre! Durchgehend wurde sie ausgenutzt. Genug war genug! Sie beschloss, sich nicht länger wie einen Fußabtreter behandeln zu lassen.
Schnell zog sie sich an und verließ heimlich die Wohnung. Draußen bestellte sie ein Taxi, das erstaunlich schnell erschien. Für sie war das ein Zeichen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Zuhause packte sie sorglos Kleidung in ihren Koffer, warf alles durcheinander, als hätte sie keine Minute zu verlieren. Nachdem der letzte Gegenstand verstaut war, sah sie auf die Uhr und gab ein bitteres Lächeln von sich.
Bis ihr Vater kam – sie hatte ihn kurz informiert – blieb noch Zeit, ihrem Ex-Partner eine Lektion zu erteilen.
- Akkrurat gebügelte Anzüge landeten auf dem Boden.
- Ein Blumentopf fiel darauf.
- Sie trat die teure Kleidung durch nassen Dreck.
- Dann wandte sie sich dem Kühlschrank zu.
Nein, das Essen wollte sie nicht zurücklassen! Behältnisse, die sie einst für Markus’ Mittagessen gekauft hatte, wurden gepackt. Gerade, als sie den letzten Löffel Reis verstaute, klingelte es.
„Komm direkt in die Küche, da ist Essen zum Mitnehmen!“
Ihr Vater pfiff leise angesichts des Durcheinanders, schwieg jedoch. Zielstrebig hob er drei Taschen voller Speisen auf und ignorierte das schmutzige Geschirr gekonnt.
„Bist du nicht etwas…“, begann er.
„Genau richtig!“, unterbrach sie ihn scharf.
Mit der letzten Tasche im Auto kehrte Lina zum Treppenhaus zurück. Eine neugierige ältere Nachbarin im Erdgeschoss, bekannt für ihre Schlaflosigkeit, hatte das Ganze sicher durch den Türspion beobachtet. Entschlossen klopfte Lina, um die Schlüssel zu übergeben. Ein kurzes Gespräch mit ein paar Klagen später leuchteten die Augen der alten Dame vor Freude auf neuen Klatsch.
Markus versuchte nachträglich, sich zu rechtfertigen und schob alles auf den Alkohol – vergeblich. Lina verweigerte ihm jedes weitere Zuhören.
„Hol dir eine Putzfrau“, waren ihre letzten Worte zu ihm.
Abschließend offenbart diese Geschichte erschreckend, wie sehr manche Menschen ihre Partner ausnutzen und wie wichtig es ist, solche Verhaltensmuster zu erkennen und sich daraus zu befreien. Vertrauen und Respekt sollten die Grundlagen jeder Beziehung bilden, denn ohne sie droht Enttäuschung und seelischer Schmerz.