Nervös zupfte Nina an der Spitze ihres Schleiers. Die festliche Musik spielte im Hintergrund, doch ihr Herz klopfte unruhig. Heute war der Tag, an dem sie Adam das Ja-Wort geben würde – der Mann, für den sie alles aufgegeben hatte.
Vor sechs Monaten war sie quer durchs Land gezogen, um ein neues Leben mit ihm zu beginnen. Sie hatte ihre Familie, ihre Freunde und ihren Job zurückgelassen, weil sie an die Liebe glaubte. Adam, mit seinen strahlenden Augen und seinem charmanten Lächeln, hatte ihr versprochen, dass sie zusammen alles schaffen würden.
Doch irgendetwas fühlte sich falsch an.
Es war nicht die Aufregung vor der Zeremonie, sondern ein flüchtiger Blick, den sie zwischen Adam und seiner Schwester Beth bemerkt hatte. Beth war immer präsent gewesen, hatte sich in die Hochzeitsplanung eingemischt und Entscheidungen getroffen, als sei es ihre eigene Hochzeit. Nina hatte versucht, es zu ignorieren, doch jetzt, kurz bevor sie den Gang hinunterschreiten sollte, wurde ihr bewusst, dass Beth mehr Einfluss auf Adam hatte, als sie je gedacht hatte.
Die Zeremonie verlief wie im Traum – zumindest nach außen hin. Die Gäste applaudierten, als Adam sie küsste, und für einen Moment glaubte Nina, dass ihre Sorgen unbegründet gewesen waren. Doch während der Hochzeitsfeier bemerkte sie, wie Beths Freundinnen – Sarah, Kate und Olivia – ihrem frischgebackenen Ehemann kleine Zettel zusteckten.
„Was war das?“, fragte sie Adam leise, als sie für einen Moment allein waren.
„Nichts Wichtiges“, murmelte er, wich ihrem Blick aus und steckte die Zettel in seine Jackentasche.
Nina spürte, wie sich ein unangenehmes Gefühl in ihrer Brust ausbreitete.
Später am Abend, als sie sich in ihr gemeinsames Hotelzimmer zurückzogen, wurde die Stimmung noch kälter. Adam, der eben noch mit seinen Freunden gelacht hatte, war plötzlich abweisend.
„Ich kann das nicht“, sagte er plötzlich, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten.
Nina erstarrte. „Was meinst du?“
„Diese Ehe… Ich kann das nicht.“
„Adam, was ist los?“ Ihre Stimme bebte.
Ohne ein Wort zog er einen der Zettel aus seiner Tasche und hielt ihn ihr hin. Ihre Hände zitterten, als sie ihn aufklappte.
Darin standen Worte, die ihr den Boden unter den Füßen wegzogen:
„Willst du wirklich eine Frau heiraten, die ein Doppelleben führt? Frage dich selbst: Weißt du wirklich, wer Nina ist?“
Darunter war ein Foto angehängt – sie mit einem alten Kollegen, lachend in einem Café. Ein ganz harmloses Bild. Doch darunter stand in dicker Schrift:
„Das war nicht das einzige Mal.“
Ninas Blick schnellte hoch. „Das ist… das ist ein Missverständnis! Wer hat dir das gegeben?“
„Sarah… Kate… Beth… Sie haben mir alles gezeigt. Nachrichten, Fotos… Ich dachte, ich kenne dich, aber du hast mich die ganze Zeit belogen.“
„Adam! Das ist nicht wahr! Beth hat dich manipuliert!“ Tränen traten ihr in die Augen.
Doch Adam trat einen Schritt zurück. „Ich kann das Risiko nicht eingehen.“
Innerhalb von Sekunden zerbrach alles.
In dieser Nacht saß Nina allein in ihrem Hochzeitskleid in der leeren Wohnung, die sie gemeinsam hatten beziehen wollen. Der Schmerz war unerträglich.
Doch am nächsten Morgen rief Sarah sie an.
Ihre Stimme war leise, von Schuld durchzogen. „Nina… ich muss dir etwas sagen. Es war alles eine Lüge. Beth hat alles inszeniert.“
Nina schnappte nach Luft. „Was?“
„Sie wollte dich nie in unserer Familie haben. Sie dachte, du würdest Adam von ihr wegnehmen… also hat sie alles manipuliert.“
Nina spürte, wie Wut in ihr aufstieg.
An diesem Tag beschloss sie, nicht länger das Opfer zu sein.
Mit Beweisen in der Hand suchte sie Adam auf. Als er die Wahrheit erkannte, war er erschüttert. Doch es war zu spät.
„Ich habe dir vertraut, Adam“, sagte sie, während sie ihn ansah. „Und du hast mich verraten, ohne mir eine Chance zu geben, meine Seite der Geschichte zu erzählen.“
Dann drehte sie sich um und verließ ihn – für immer.
Denn eine Ehe ohne Vertrauen war keine Ehe. Und Nina wusste, dass sie jemand Besseres verdiente.