„— Schon wieder ein Mädchen? Lösch mich aus deinem Leben“, sagte mein Mann und ließ mich mit unseren drei Kindern in einer abgelegenen ländlichen Gegend zurück.

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– Ich kann es nicht mehr ertragen. „Ich wollte einen Jungen, und das ist schon unser drittes Mädchen“, sagte Sergej, der mit seiner alten Sporttasche in der Tür stand und es vermied, seiner Frau in die Augen zu sehen.

Irina stand mit ihrem Löffel in der Hand da. Der Haferbrei auf dem Herd murmelte leise. Mascha kroch auf dem Holzboden herum und versuchte, einen Blick auf die Sonne zu erhaschen.

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— Serjoscha… bitte, wovon redest du? Sieh sie dir an! — Ihre Stimme zitterte.

Er drehte sich nicht einmal um. Die Tür schlug zu und durchbrach die morgendliche Stille. Mascha schluchzte, als ob sie etwas spürte. Der rothaarige Kater Bublik krümmte den Rücken und sprang vom Fensterbrett. Anja, die älteste Tochter, erstarrte mit ihren Tellern in der Hand; ihre Augen, zu ernst für eine Elfjährige, waren voller Schmerz.

— Mama, wann kommt Papa zurück? — fragte Lisa und zupfte am Saum von Irinas Bademantel, ohne ganz zu verstehen, was gerade passiert war.

Irina berührte Sie wickelte ihr Haar hastig in ein Handtuch und sah ihre drei kleinen Mädchen an – ihre Freude, ihren Trost – und flüsterte: „Mädchen, lasst uns frühstücken. Der Haferbrei wird kalt.“

Sie hoffte, er würde zurückkommen. Nach einem Tag. Nach zwei. Eine Woche verging. Die Nachbarn senkten jedes Mal den Blick, wenn sie ihn sahen.

Nadia kam fast jeden Abend – mal mit einem Glas Himbeermarmelade, mal mit einem Kuchen oder einfach, um Irina im Haushalt zu helfen.

„Hat sie noch ein Gewissen?“, platzte Nadia heraus, während sie Tee in die Tassen goss, nachdem die Mädchen ins Bett gegangen waren. „Er ist ein Mann, und trotzdem rennt er vor seinen Kindern davon wie vor dem Feuer.“

Irina blickte zur Fensterscheibe. Der Ahornbaum am Weg färbte sich gelb – der Herbst nahte unbemerkt. „Weißt du, er hat sich im letzten Jahr verändert. Er hat sich abgewandt, wenn ich auf Mascha aufgepasst habe. Er hat gesagt: Keine Mädchen mehr, ich will einen Jungen.“

— Und was machen wir jetzt?

— Jetzt sind wir allein – Irina richtete sich auf.

Die Tage vergingen wie im Flug.

Nachts weinte sie in ihr Kissen, damit die Mädchen nichts hörten. Tagsüber arbeitete sie: wusch, kochte, backte. Das Kindergeld reichte kaum für das Nötigste.

Ihre Augen brannten vom Rauch aus dem Ofen, Mehlreste blieben unter ihren Nägeln, ihr Rücken schmerzte, aber jeden Morgen stand sie wieder auf.

— Ist Papa tot? – fragte Liza einen Monat später und betrachtete ein Foto auf der Kommode.

— Nein, Liebling. Papa ist weg.

— Warum?

— Manchmal treffen Erwachsene seltsame Entscheidungen – sie wollte ihr die Wahrheit sagen, dass ihr Vater ein schwacher Mann war, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. – Geh und hilf Anya beim Abwasch.

Der Oktober brachte Regen und Frost in das alte Haus.

Der Wind drang durch jede Ritze. Irina dichtete sie mit Lumpen ab, die Mädchen halfen ihr dabei. Anja war schneller erwachsen geworden, als sie sollte: oft schweigsam, aber immer hilfsbereit – sie stützte Mascha, wenn sie weinte, und deckte Lisa zu.

„Wir schaffen das, Mama“, sagte sie eines Abends, als sie zusammen Kartoffeln schälten.

„Natürlich, Liebling“, sagte Irina und küsste sie auf den Kopf, während sie den Rauch und die Äpfel roch.

Mascha machte ihre ersten Schritte und hielt sich an den Hockern und der alten Kommode fest.

Niemand hatte erwartet, dass das kleine, plappernde Wesen statt des üblichen „Mama“ oder „Papa“ ein klares und entschiedenes „Anja“ aussprechen würde.

Anja stand mit ihrem Teller in der Hand da, und Irina spürte eine innere Wärme, die sie zum Lachen brachte, als hätte sie wieder gelernt, was Lachen bedeutet. „Ich muss den Teig kneten“, schimpfte sie witzig und krempelte die Ärmel hoch. „Morgen backe ich Croissants und bringe sie in den Laden. Sie haben versprochen, sie zu verkaufen.“

Anya reichte ihr schweigend einen Sack Mehl. Der schwarze Kater Timon rieb sich an ihren Beinen und schnurrte leise, als wolle er sie ermutigen.

Ein weiteres Jahr verging. Draußen fiel der erste Schnee der Saison. Sergej ließ sich nicht blicken – keine Anrufe, keine Nachrichten. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

„Vielleicht kommt er zu Silvester wieder?“, fragte Liza leise, bevor sie einschlief und ihr zerzaustes Häschen umklammerte.

Irina strich ihr übers Haar:

„Schlaf, Kleines. Wir haben jetzt unser eigenes Leben, einen neuen Weg.“

Sie wusste nicht, ob sie die Kraft dazu haben würde oder was sie erwartete. Aber eines wusste sie: Ihre Mädchen sollten sich nie im Stich gelassen fühlen.

Sergej tauchte nie wieder auf; keine Anrufe, keine Briefe. Aber da hatten sie die Hoffnung schon aufgegeben.

Das Haus duftete wieder nach frisch gebackenem Gebäck und Äpfeln, und das Lachen der Mädchen schallte heraus. Die drei Töchter wuchsen aufgeweckt, stark, voller Leben und mit strahlenden Augen auf.

Und Irina verwandelte sich von einer verlorenen Frau in eine Säule der Stärke.

Eines Abends ging sie auf die Veranda. Mascha und Lisa spielten im Garten mit einem neuen Kätzchen. Warmes Licht schien durch das Fenster. Irina atmete tief die vom Abendtau getränkte Luft ein und lächelte.

Jemand war gegangen, doch das Licht in ihnen blieb.

Das Dorf schlief ein. Die Lichter in den Häusern gingen nacheinander aus. Leise Musik drang aus dem Nachbarhof: Jemand feierte Geburtstag. Das Leben ging weiter – ohne Sergej, aber voller Wärme und Sinn.

„Wo ist er wohl jetzt?“, fragte Anja zum ersten Mal seit langer Zeit nach ihrem Vater.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Irina ehrlich. „Ich habe den Brief nie geöffnet. Ich habe ihn verbrannt.“

„Du hast es gut gemacht“, nickte Anja. „Wir brauchen ihn nicht mehr.“

Am nächsten Morgen brachte Nadia frische Croissants und Neuigkeiten: Sie hatten Sergej im Nachbardorf gesehen. Nur auf der Durchreise. Er suchte etwas oder jemanden.

„Und was wirst du tun, wenn er kommt?“, fragte sie besorgt und blickte auf die Straße.

Irina wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab:

„Ich werde ihm zuhören. Ich werde es ihm persönlich zeigen.“

„Und die Mädchen?“, fragte sie.

„Er ist immer noch ihr Vater.“ Ich überlasse es ihnen.

Aber Sergej kam nicht. Vielleicht hatte er nicht den Mut, vielleicht war er vorbeigekommen. Es spielte keine Rolle mehr.

Der Abreisetag kam. Anja packte ihren kleinen Koffer nur mit dem Nötigsten. Der Bus würde mittags kommen.

Lisa ordnete schweigend ihre Hefte und Bücher und hielt ihre Tränen zurück.

„Du kommst doch jeden Sonntag wieder, oder?“, sagte sie und sah Anja in die Augen.

„Ich verspreche es dir, Kleines.“ Sie küsste sie auf die Stirn.

An der Bushaltestelle herrschte feierliche Stille. Irina versuchte, nicht zu weinen, aber Tränen strömten ihr übers Gesicht.

„Sobald du da bist, ruf mich an“, sagte er und strich ihr den Kragen ihrer Jacke glatt. „Und bitte spar nicht am Essen.“

Anja umarmte ihre Mutter fest.

Der Bus fuhr los in ihr neues Leben – Studium, Arbeit, Pläne. Doch die Wurzeln blieben hier, in diesem Land, in den Armen einer Mutter, im Lachen der Schwestern.

Irina sah dem Wagen nach, bis er hinter der Kurve verschwand. Liza umarmte sie und umschloss sie mit ihren kleinen Armen:

— Wir schaffen das, Mama.

— Wohin sollen wir gehen? — antwortete Irina lächelnd.

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