„Du willst dich scheiden lassen? Na schön. Aber die Wohnung gehört nicht mir. Sie gehört meiner Mutter.“
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Joanna sagte diese Worte mit eisiger Ruhe, ohne Michał aus den Augen zu lassen.
„Was?“, fragte er verwirrt, als hätte er gerade erst gemerkt, dass er sich auf dünnes Eis begab.
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Joanna zuckte mit den Achseln. Sie musste nichts mehr erklären.
Ein Jahr zuvor
„Sind Sie sich ganz sicher?“ Der Immobilienmakler beugte sich über den Schreibtisch und las die Unterlagen durch. „Eine Schenkung ist kein Scherz. Eine solche Entscheidung rückgängig zu machen, grenzt an ein Wunder.“
„Ganz sicher“, erwiderte Joanna und unterschrieb mit solcher Entschlossenheit, dass ihre Hand sich nicht einmal bewegte.
Im Büro war es still. Warme Maisonnenstrahlen fielen durch die Fenster, eine kleine Kanne Kaffee stand auf dem Fensterbrett, und hinter der Tür drang das stetige Stimmengewirr herüber. Es sollte ein ganz normaler Tag sein. Und doch wusste sie, dass von diesem Moment an nichts mehr so sein würde wie zuvor.
„Mama weiß, was zu tun ist“, dachte sie und steckte die Dokumente in ihre Handtasche. „Wenn jemals etwas passiert …“
Damals gab es keine abendlichen Verzögerungen, keinen erstickenden Duft von Damenparfüm auf dem Hemd, keine verpassten Anrufe und stummen Nachrichten. Michał war … damals anders. Oder vielleicht tat er nur so.
Joanna war keine leichtgläubige Frau. Sie wuchs in einer Anwaltsfamilie auf und lernte von Kindheit an, immer zwei Schritte vorauszuplanen. Sie kaufte die Wohnung mit dem Erbe ihrer Großmutter. Michał steuerte das Auto bei. Ihre Beiträge zum Leben waren ungleich, aber sie analysierte das damals nicht.
„Tochter, überschreib mir die Wohnung“, sagte ihre Mutter. „Nicht wegen der Scheidung. Nur … aus Vorsicht.“
Sie fragte nicht, sie erkundigte sich nicht, sie erklärte sich ihrem Mann nicht. Sie tat es einfach.
Am Abend vibrierte das Telefon: „Ich bleibe länger. Besprechung.“
Genau wie am Tag zuvor. Und sogar noch früher.
Joanna lächelte bitter und öffnete die Fotogalerie des Privatdetektivs. Michał, eine schlanke Blondine in einem teuren Mantel umarmend, verließ mit ihr ein elegantes Restaurant. Seine Hand in der Taille, ein Lächeln wie ein verliebter Teenager.
„Kaffee?“, fragte die Sekretärin.
„Nein, danke. Sind die Unterlagen fertig?“
„Sie kommen in einer Stunde.“
Sie ging auf die Straße. Die Luft roch nach Flieder. Im Mai, vor sechs Jahren, hatte sie Michał kennengelernt. Damals wirkte er verantwortungsbewusst, loyal und stark. Davon war heute nichts mehr zu spüren.
Das Telefon vibrierte erneut: „Ich komme zu spät. Warten Sie nicht.“
„Keine Sorge“, antwortete sie. „Ich habe auch noch etwas zu tun.“
Das Café war leer. Joannas Mutter setzte sich in ihre Lieblingsecke. Sie zog ihre elegante Jacke aus, legte ihre Handtasche über die Rückenlehne und sah ihre Tochter verständnisvoll an. Ewa Nowicka – eine 55-jährige Scheidungsanwältin. Im Laufe der Jahre hatte sie Dutzenden von Frauen geholfen – heute half sie ihrer eigenen Tochter.
„Hast du alles?“, fragte sie leise.
„Hier“, Joanna breitete die Unterlagen aus. „Michał hat gestern fast das gesamte Geld von seinem Konto abgehoben.“
„Er macht sich fertig“, nickte ihre Mutter. „Was ist mit dem Detektiv?“
„Er hat einen Bericht geschickt. Drei Monate: Hotels, Restaurants, Schmuck.“
„Schmuck?“, sie hob eine Augenbraue. „Hat er dir in letzter Zeit etwas geschenkt?“
„Nein. Aber sie trägt ein Cartier-Armband, identisch mit dem in seiner Kartentransaktionshistorie.“
Sie erhielten die Bestellung – ihren Lieblingslavendeltee. Joanna rührte zwei Teelöffel Zucker ein. Wie immer. Als hätte sich nichts geändert.
„Die Wohnung läuft seit einem Jahr auf meinen Namen“, sagte ihre Mutter. „Formal, legal. Das Grundbuch ist sauber. Lass ihn das Auto nehmen. Wir müssen um die Rechnung kämpfen.“
— Mama, ich will kein Geld.
— Es geht nicht nur um Geld, Joasia. Es sind deine Jahre, deine Mühe. Er hat kein Recht, dir alles wegzunehmen.
Joanna nickte. — Gestern habe ich ihn mit einem Anwalt sprechen hören. Er sprach über die Aufteilung des Grundstücks. Über die Wohnung.
— Er glaubt, sie gehört euch gemeinsam?
— Ja. Und er geht wahrscheinlich davon aus, dass er es schaffen wird, sich die Hälfte zu erkämpfen. Oder zumindest einen Teil.
— Bist du sicher, dass du dich scheiden lassen willst?
Joanna schaute aus dem Fenster. Hinter der Scheibe gingen junge Leute Händchen haltend vorbei. So wie sie und Michał früher.
— Weißt du noch, als du mir Autofahren beigebracht hast? Du sagtest: Schau in die Spiegel. Dort könnte Gefahr lauern.
— Ich erinnere mich – ihre Mutter drückte ihre Hand. — Was siehst du heute in diesen Spiegeln?
— Eine Lüge. Manipulation. Ein Mann, der ein Doppelleben führte.
Als sie abends in die Wohnung zurückkehrte, herrschte Stille. Frisch gewaschene Vorhänge flatterten in den Fenstern, und ein Foto von ihrer Hochzeit lag auf dem Tisch. Lächelnd, glücklich, ahnungslos.
Das Telefon vibrierte erneut. Ermittler: „Sie haben das Restaurant verlassen. Ich füge ein Foto bei.“
Michał und die Blondine. Ein Kuss. Eine Tasche aus einer exklusiven Boutique in seiner Hand.
Der Schlüssel steckte im Schloss. Er war schon früher zurückgekommen.
„Liebling, ich bin da!“, rief er fröhlich von der Tür aus, als käme er von einer Geschäftsreise zurück, nicht von einem Date.
Joanna antwortete nicht. Sie wartete auf seine Frage.
„Ich habe Neuigkeiten“, verkündete er schließlich. „Ich bin befördert worden. Regionaldirektorin. Doppelt so viel Gehalt. Ich wollte feiern.“
„Herzlichen Glückwunsch“, sagte sie trocken. „Und ist das der Anlass für ein Abendessen im Restaurant mit der Blondine?“
Michał erstarrte.