Ich fand ein Baby unter einer Birke und zog es wie mein eigenes auf. Aber wer hätte das gedacht …

Unter einer alten Birke lag ein Kind, zusammengerollt auf einem Teppich aus toten Blättern. Ein dünner kleiner Junge von etwa vier Jahren, der eine zu leichte Jacke trug, zitterte, während er sich selbst umarmte. Seine verängstigten Augen starrten den Ranger an.

Michail Andrejewitsch sah sich vorsichtig um. Weit und breit war niemand zu sehen: Nur der Wind raschelte in den Kiefernnadeln und ab und zu knackte ein Ast.

 

Er ging langsam in die Hocke und versuchte, weniger einschüchternd zu wirken.

– Wie heißt du, Kleines? Wo sind deine Eltern?

Der Junge drückte sich gegen die raue Rinde der Birke. Seine Lippen zitterten, doch statt Worten entfuhr ihm ein leises Krächzen.

„Se… Sen… Senya“, murmelte er schließlich.

— Senja? – Michail Andrejewitsch streckte seine Hand aus, aber das Kind wich zurück. – Hab keine Angst. Ich werde dir nicht weh tun.

Die Dämmerung begann den Wald einzuhüllen. Die Temperatur sank weiter und das Kind zitterte. Wer könnte ihn hier zurückgelassen haben? Das nächste Dorf war dreißig Kilometer entfernt und die Reise dauerte sogar noch länger.

„Komm mit“, sagte der Förster leise. — Bei mir ist es warm und es gibt Essen.

Bei der Erwähnung von Essen blitzte in den Augen des Kindes Interesse auf.

Michail Andrejewitsch zog seine Steppjacke aus und legte sie sich vorsichtig, um Senja nicht zu erschrecken, auf die zarten Schultern. Das Kind leistete keinen Widerstand.

„Da“, atmete Mikhail und hob Senya in seine Arme.

Federleicht. Unter der Haut waren seine Knochen sichtbar. Er hatte offensichtlich lange nichts gegessen.

Sie gingen durch den Wald und Mikhail spürte, wie das Zittern des Jungen allmählich nachließ. Bald tauchte hinter den Bäumen eine kleine Hütte auf: eine wackelige Veranda und ein dünner Rauchwölkchen stieg aus dem Schornstein.

„Wir sind angekommen“, sagte der Wachmann und stieß die Tür mit dem Fuß auf.

Der Geruch von getrockneten Kräutern und Rauch hing in der Hütte. Das Feuer im Kamin erlosch langsam und warf rote Reflexe auf den Tisch und die Bank aus grobem Holz.

Er setzte Senya auf die Bank, warf etwas Holz ins Feuer und die Flammen erwachten zu neuem Leben und erleuchteten das verängstigte Gesicht des Kindes.

„Du wirst dich aufwärmen“, sagte Mikhail und stellte einen Kessel auf den Herd. – Dann reden wir.

Der Junge aß gierig und musste manchmal würgen und husten. Mikhail beobachtete ihn und etwas Altes regte sich in ihm. Wie lange war es her, dass er sich um ein Kind gekümmert hatte? Zehn Jahre? Fünfzehn? Seit…

Nein, nicht jetzt.

— Woher kommst du, Senya? — fragte er, als der Teller leer war.

Das Kind schüttelte den Kopf.

„Mama… Papa… wo sind sie?“

Wieder ein Kopfschütteln und Tränen rollten über seine Wangen.

„Ich … ich weiß nicht“, flüsterte er.

Mikhail seufzte. Wir sollten morgen ins Dorf gehen und Ivan Egorovich informieren. Ein Kind konnte nicht einfach so auftauchen, jemand musste nach ihm suchen.

„Für heute Nacht bleiben Sie hier“, schloss der Wachmann. — Morgen werden wir entscheiden, was zu tun ist.

Er legte Senya unter eine alte, aber saubere Decke auf die Bank neben dem Kamin. Das Kind hatte sich in einer Ecke zusammengerollt und blickte misstrauisch.

Mitten in der Nacht wurde Mikhail durch leises Schluchzen geweckt. Senya saß mit an sich gepressten Knien auf der Bank und weinte still.

„Hey“, rief Mikhail. – Komm her.

Er klopfte leicht auf das Bett neben ihm. Das Kind zögerte, hin- und hergerissen zwischen Angst und Vertrauen.

„Komm schon“, ermutigte Mikhail ihn mit sanfter Stimme. – Hab keine Angst.

Senya stieg vorsichtig von der Bank herunter und schlüpfte nach einigen zögerlichen Schritten neben dem Wachmann unter die Decke.

„Schlaf“, sagte Mikhail. – Dir kann nichts passieren.

Früh am Morgen machte sich Mikhail bereit, ins Dorf hinunterzugehen. Er zögerte und sah Senya an, die friedlich schlief. Sollte er sie mitnehmen? Hier lassen? Was ist, wenn das Kind alleine aufwacht?

Schließlich beschloss er, ihn aufzuwecken.

„Wir gehen ins Dorf“, sagte Mikhail. – Du musst diejenigen finden, die dich verloren haben.

Blitzschnell öffnete Senya ihre Augen.

– NEIN ! – rief er zum ersten Mal mit klarer Stimme. — Geh nicht ohne mich! — fügte er hinzu und schüttelte Mikhail die Hand.

– Wofür ? – Mikhail hockte sich vor ihn. — Deine Eltern suchen wahrscheinlich nach dir.

Senya schüttelte den Kopf, Angst stand in ihren Augen.

„Es gibt keine Mutter“, hauchte er. – Nein, Papa.

 

Ein Stich durchfährt Mikhails Herz: Er erkennt diesen Ausdruck – die Verzweiflung eines Menschen, der alles verloren hat.

„Okay“, sagte er nach einem Moment. – Heute bleibst du hier. Aber morgen fahren wir trotzdem. Verstehst du?

Das Kind nickte und umklammerte immer noch Mikhails Hand.

Drei Wochen später kam Michail Andrejewitsch endlich ins Dorf.

Senya holte tief Luft, ging durch die Tür und mischte sich unter die anderen Kinder. Mikhail stand still und blickte mit einem zärtlichen Lächeln auf die weiße Tür. Der leichte Wind zerzauste ihr Haar.

Sein Sohn kam, wie es sich gehörte, in die Schule. Der Kreis schloss sich: Die Einsamkeit war der Wärme eines neuen Lebens voller Sinn, Liebe und Hoffnung gewichen.